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Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Zwischen Pflicht und Sehnsucht

Titel: Zwischen Pflicht und Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deb Marlowe
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auch sie heranwuchs. Für ihn war sie immer die abenteuerlustige kleine Komplizin seiner Missetaten geblieben.
    Er hatte sie nicht vergessen, er hatte sie im Stich gelassen.
    Die Wahrheit setzte ihm den ganzen Abend lang zu. Noch eine Sünde, für die er die Verantwortung auf sich nehmen musste, noch jemand, der gelitten hatte, während er seine Fantasien auslebte und sein Leben verplemperte. Er war nicht sicher, ob seine Seele noch eine derartige Bürde ertragen konnte.
    Irgendwie überstand Charles die nächsten Stunden. Er verabschiedete alle Gäste, gab seiner Mutter einen Gutenachtkuss und schickte die Diener zu Bett. Dann ging er in die Bibliothek, schloss die Tür hinter sich und schenkte sich einen Brandy ein, trank aber nicht. Lange starrte er blicklos ins Feuer. Er setzte sich in seinen Lieblingssessel und glitt langsam in den tiefsten Wahnsinn hinab.
    Das musste es sein – er war wahnsinnig oder zumindest kurz davor. Seine Gedanken überschlugen sich, Ereignisse und Stimmen der letzten Wochen verfolgten ihn. Alles opfern … entscheide, was du willst … du hast mich vergessen.
    Sie entglitten ihm alle, all die Gründe, sein Ziel zu verfolgen und nicht aufzugeben. All seine harte Arbeit war für nichts gewesen. Er war wieder der verruchte Lord Dayle, der sich selbst den größten Streich seiner Laufbahn gespielt hatte. Er stand auf und lehnte sich an den Kaminsims. Es war so schwer gewesen, und nun musste er von vorne anfangen. Aber verdammt, das würde er. Jawohl. Sobald er den Kopf wieder klar bekam, sobald er irgendwie mit Sophie umgehen konnte.
    Sein Herz begann zu pochen, seine Hand, die das Glas hielt, zu zittern. Er betrachtete die schwappende bernsteinfarbene Flüssigkeit einen Moment lang geistesabwesend und wünschte sich, sie würde den Trost enthalten, den er brauchte. Seine Ziele waren außerhalb seiner Reichweite gerückt, sein Leben ging in die Binsen, und alles, woran er denken konnte, war Sophie.
    Unvermittelt schleuderte er das Glas in den Kamin, wo es mit einer blauen Stichflamme zerbarst. Er verließ die Bibliothek, griff sich einen Spazierstock aus dem Ständer im Foyer und schritt in die Nacht hinaus.
    Verflucht sollte Sophie sein. Verflucht dafür, dass sie im schlimmstmöglichen Moment in sein Leben zurückgekehrt war und ihr ganz persönliches Chaos verbreitet hatte. Verflucht dafür, dass sie so schön war, so witzig und so unwiderstehlich. Verflucht dafür, dass sie ihn zum Lachen gebracht und seine Wünsche wieder zum Leben erweckt hatte.
    Er lief lange und weit, ohne seinen Gedanken zu entkommen. Die Vergangenheit hatte ihn oft verfolgt, aber nun ragte auch die Zukunft drohend vor ihm auf. Er wusste nicht, was ihn mehr in Schrecken versetzte – Möglichkeiten, von denen er fürchtete, dass diese ihm verschlossen bleiben würden, oder solche, die sich ihm eröffnen würden.
    Entscheide dich, was du willst. Vielleicht hatte Jack recht, vielleicht war es Zeit, sich der Wahrheit zu stellen. Es war zugleich einfach und erschreckend. Er wollte Sophie, die leidenschaftliche, wunderschöne, unmögliche Sophie.
    Doch nicht mal für sie konnte er die Schwüre brechen, die er geleistet hatte. Das war sie, schlicht und einfach, die grausame Wahrheit. Er wollte sie, seit sie auf der Straße fast mit ihm zusammengestoßen war. Und beinahe seit diesem Moment hatte er gewusst, sich für sie zu entscheiden bedeutete, alles aufzugeben, was er seinem toten Bruder, seinem toten Vater schuldete.
    Er sank auf eine steinerne Bank nieder und vergrub den Kopf in den Händen.
    Schuld durchzuckte ihn. Nach einem Leben voller Ablehnung genoss Sophie endlich, wonach sie sich gesehnt hatte: Anerkennung und Bestätigung. Er sollte sich für sie freuen, anstatt ihr ihren Triumph zu missgönnen. Aber genau das tat er, weil ihr unkonventioneller, kometenhafter Erfolg sie für ihn unerreichbar machte.
    Und er fürchtete um sie. Die flatterhafte Gesellschaft liebte es, Menschen auf ein Podest zu heben, nur um ihnen beim Fallen zuzusehen. Man musste sich nur ansehen, was mit Lord Byron geschehen war. Oder mit mir selbst .
    Eine kühle Brise streifte ihn und zerzauste sein Haar, und vielleicht brachte sie die Idee mit sich. Was mit ihm selbst geschehen war. Er hob den Kopf. War es möglich? Konnten sowohl Charles Alden als auch Viscount Dayle haben, was sie wollten?
    Er sah sich um und stellte fest, dass er sich in der Nähe der Tore zum Park am Hanover Square befand. Wie lang, fragte er sich, hatte er hier

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