Zwischen Pflicht und Sehnsucht
fair, Lady Dayle.“
Die Viscountess lachte leise. „Stimmt. In der Liebe und im Krieg ist alles erlaubt. Im Gegensatz zur Inneneinrichtung.“
„Oh, aber die Dame hat recht, Sophie. Das hier ist perfekt.“ Mateos Stimme war eindringlich. „Es wird ein Triumph für dich. Danach kannst du mit deiner Kunst überall hingehen, alles tun, was du willst.“
„Das meine ich auch. Ich habe keinen Zweifel, dass Sie jede Menge weitere Aufträge bekommen werden, wenn man Ihr Werk hier sieht.“
„Ach, aber an diese steifen Engländer ist dein Talent wirklich verschwendet.“ Mateo beugte sich in seinem Stuhl vor und sah sie eindringlich an. „Ich finde auch, du verdienst gebührende Anerkennung für diese schöne Arbeit, aber dann musst du mit mir zurück nach Philadelphia kommen. Dort wirst du geschätzt und verehrt werden. Eine Künstlerin, die in der Gunst des englischen Regenten steht! Sie werden sich um dich reißen!“
Lady Dayle verdrehte die Augen. „Sophie wird auch hier geliebt und geschätzt. Sicherlich haben Ihnen die letzten Tage das gezeigt.“
„Ja, aber hier wird sie nicht den Erfolg haben, den sie anderswo erreichen kann. In Amerika ist es anders.“ Ernst sah er Sophie in die Augen. „Denk drüber nach, hm?“
„Ja, das werde ich.“ Nachdem ihr etwas eingefallen war, wie sie sich vor dieser Einweihungsfeier drücken konnte.
12. KAPITEL
Charles war wieder fünfzehn und brach endlich auf ins Internat. Schließlich hatte sein Vater nachgegeben, obwohl er etwas von „Perlen vor die Säue werfen“ knurrte und vorhersagte, dass sein missratener Sohn zurückgeschickt werden würde, bevor das erste Halbjahr um war.
Charles hörte nicht hin. Das Gemurre seines Vaters machte ihm nun nichts mehr aus, wo er endlich fortkonnte und die Welt offen vor ihm lag. Der einzige dunkle Fleck in seiner strahlenden Zukunft war das Gespräch, das ihm noch bevorstand: Er musste sich von Sophie verabschieden.
Auf dem untersten Ast des Baumes, auf dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren, fand er sie schließlich. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Er setzte sich dicht neben sie auf den knorrigen Ast, und sie legte den Kopf an seine Schulter. So saßen sie stumm, jenseits aller Worte eine Weile da. Dann sagte er etwas, um sie zum Lachen zu bringen.
Ihr Lachen hallte über die stille Lichtung, fast greifbar, und plötzlich war es tatsächlich greifbar, rankte sich sinnlich um ihn, umfing ihn. Nein, das waren ihre Arme, die sich um seinen Körper schlangen und ihn festhielten. Plötzlich wandelte sich die Szene. Der Wald war verschwunden. Sie befanden sich in seinem Schlafzimmer. Sie waren keine Kinder mehr. Sophie war eine Frau in seinen Armen, heiß und willig, sie schmiegte sich an ihn, presste ihre Lippen auf die seinen. Charles stöhnte und vergrub seine Hand in ihrem dichten Haar, drückte seinen Mund fest und verzweifelt auf ihren und umfasste ihren weichen, sich windenden Körper enger.
In einem abrupten Stimmungswechsel stieß sie ihn von sich. Der Wald war verschwunden, sie entwand sich seinem Griff und ging zur Tür. Dort wandte sie sich um und sah ihn mit höhnischem Lächeln an. Ihre dunklen Augen blitzten vor Entrüstung.
„Nein, Charles“, war alles, was sie sagte, dann warf sie die Tür mit lautem Krachen ins Schloss.
Krach! Sie warf sie erneut zu, und der Lärm ließ seinen Kopf dröhnen.
Krach! Warum schlug sie immer noch die Tür zu? Irgendwie war der Radau in seinen Kopf gedrungen und drohte ihn zu zerreißen.
„Haben Sie keinen Schlüssel?“, fragte Sophie, noch immer verärgert. Halt, nein. Das war Jacks Stimme.
„Den hat er da drinnen bei sich“, antwortete jemand.
Krach!
„Verdammt noch mal!“, rief Charles und hielt sich den Kopf. „Hört mit dem verfluchten Lärm auf, oder ich erwürge euch mit bloßen Händen!“ Er sank zurück und krümmte sich vor Schmerzen. Er würde niemanden töten; er würde sich genau hier in seinem Bett übergeben. Dann würde er sterben.
„Wenigstens ist er am Leben.“ Jack lachte erleichtert.
Krach!
Dieser letzte große Knall schickte ihn in eine himmlisch ruhige, dunkle Leere jenseits aller Schmerzen.
Als Charles erwachte, beugten sich sein Bruder und sein Kammerdiener über ihn und starrten ihn mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination an.
„Irgendeine Ahnung, wo er die ganze Zeit gewesen ist?“, fragte Jack.
Crocker brummte verneinend. „Zwei Gentlemen haben ihn heimgebracht. Haben ihn bei Bellamy’s gefunden.
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