Zwischen Sehnsucht und Verlangen
sie war das Gegenteil dessen, was sie wollte. Sie hielt noch immer in jeder Hand ein Weinglas und presste nun eines davon wie zur Verteidigung gegen seine Brust.
Er betrachtete es einen Moment, dann wanderte sein Blick wieder nach oben und sah sie an. Er lächelte nicht, und der sanfte Ausdruck, der noch kurz zuvor auf seinem Gesicht gelegen hatte, war verschwunden. In seinen Augen lauerte nun etwas Dunkles, fast Gefährliches, wie bei einem Raubtier, das zum Sprung ansetzt auf seine Beute. Trotz ihres gesunden Menschenverstands fühlte sie sich von diesem Mann, der sich ohne Bedenken nehmen würde, wonach ihm der Sinn stand, fast unwiderstehlich angezogen und scherte sich nicht um die Konsequenzen.
„Deine Hände zittern ja, Regan.”
„Ich weiß.”
Sie war sich darüber im Klaren, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung das, was in seinen Augen lauerte, zum Ausbruch bringen und sie verschlingen würde. Und sie würde es zulassen. Und genießen.
Darüber galt es erst einmal nachzudenken.
„Nimm dein Weinglas, Rafe. Es ist Rotwein, er wird hässliche Flecken auf deinem Hemd hinterlassen, wenn man ihn verschüttet.”
Einen verwirrenden Moment lang brachte er kein Wort heraus. Ein Verlangen, das er nicht verstand und mit dem er nicht gerechnet hatte, schnürte ihm die Kehle zu. Sie ist beunruhigt, dachte er. Und er fand, dass es klug war von ihr, denn sie hatte allen Grund zur Beunruhigung. Eine Frau wie sie hatte keine Ahnung, wozu ein Mann wie er fähig war.
Er nahm das Glas entgegen und stieß mit ihr an, der helle Klang schwebte noch in der Luft, als er sich umwandte und zum Herd ging-Sie fühlte sich so, als wäre sie eben am Rand einer Klippe entlang getaumelt und hätte es gerade noch rechtzeitig geschafft, dem unvermeidlich erscheinenden Sturz zu entgehen. Doch was sie angesichts dessen verspürte, war nicht Erleichterung, sondern Bedauern.
„Irgendwie sollte ich wohl jetzt was sagen. Ich … äh …” Sie holte tief Luft und nahm einen großen Schluck Wein. „Ich will ja nicht abstreiten, dass ich mich von dir angezogen fühle …”
In dem Versuch, sich zu entspannen, lehnte er sich gegen den Tresen und fixierte sie über den Rand seines Weinglases hinweg. „Und?”
„Und.” Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Aber ich denke, Komplikationen sind … eben kompliziert”, beendete sie ihren wenig aussagekräftigen Satz. „Ich will das nicht … Ich kann mir nicht vorstellen …”
Sie schloss die Augen und nahm noch einen Schluck. „Oh Gott, jetzt stottere ich schon.”
„Ist mir auch aufgefallen. Es stärkt mein Selbstvertrauen ungemein.”
„Das hast du doch gar nicht nötig.” Sie stieß hörbar die Luft aus und räusperte sich. „Ich habe keinen Zweifel daran, dass Sex mit dir eine denkwürdige Sache wäre – hör auf, so blöd zu grinsen!”
„Oh, Entschuldigung.” Doch das Grinsen wich nicht von seinem Gesicht.
„Das muss an deiner Wortwahl liegen. Denkwürdig ist gut – wirklich gut, gefällt mir. Aber ich habe verstanden, was du meinst. Du willst dir alles gründlich durch den Kopf gehen lassen. Und wenn du dann so weit bist, lässt du es mich wissen.”
Sie überlegte einen Moment, dann nickte sie. „Ja, so könnte man es sagen.”
„Okay. Jetzt bin ich dran.” Er wandte sich um, drehte die Herdplatte an und goss Öl in die Bratpfanne. „Ich begehre dich, Regan. Sofort, als ich bei Eds reinkam und dich mit Cassie so geschniegelt und gebügelt dasitzen sah, hat’s mich umgehauen, ehrlich. Es hat mich einfach erwischt.”
Sie tat alles, um die Schmetterlinge, die wieder begannen, in ihrem Bauch zu flattern, nicht zur Kenntnis zu nehmen. „Hast du mir deshalb diesen Job angeboten?”
„Du bist wirklich zu intelligent, um eine solche Frage zu stellen. Es geht um Sex, verstehst du? Sex ist etwas Persönliches.”
„Na gut.” Sie nickte wieder. „Na gut.”
Er nahm eine Tomate zur Hand und betrachtete sie eingehend. „Das Problem ist nur, dass ich nicht viel davon halte, über solche Sachen allzu lange nachzugrübeln. Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, aber ich finde, Sex ist etwas Animalisches. Es geht darum, zu riechen, zu schmecken und zu fühlen.” Seine Augen hatten sich verdunkelt wie bereits vorhin schon, und wieder lag in ihnen ein Anflug von Waghalsigkeit und Leichtsinn. Er nahm das Messer in die Hand und fuhr mit dem Finger prüfend über die Schneide. „Und zu erobern”, fügte er langsam hinzu. „Aber da das
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