Zwischen Sehnsucht und Verlangen
muss jetzt an die Kinder denken. Ich habe vor, zu Devin zu gehen, um Anzeige zu erstatten.”
„Gott sei Dank.”
„Ich wollte nur vorher bei dir reinschauen, damit ich ein bisschen ruhiger werde.” Cassie wusste, dass es nun kein Zurück mehr gab. Sie bemühte sich um ein zitterndes Lächeln und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. „Es fällt mir schwer, weil es ausgerechnet Devin ist. Ich kenne ihn schon mein ganzes Leben lang. Nicht, dass die ganze Sache ein Geheimnis wäre, er war ja schon unzählige Male bei uns, weil die Nachbarn die Polizei gerufen haben. Und dennoch ist es hart.” Sie seufzte. „Weil es Devin ist.”
„Ich komme mit dir.”
Cassie schloss die Augen. Das war der Grund, weshalb sie hergekommen war. Weil sie jemanden brauchte, der ihr jetzt zur Seite stand.
Oder – genauer ausgedrückt – weil sie jemanden brauchte, der sie aufrecht hielt. „Nein, ich muss es allein machen. Aber ich weiß nicht, was ich danach tun soll”, erwiderte sie tapfer und nahm einen Schluck von ihrem Tee, der ihrer geschundenen Kehle wohltat. „Ich kann unmöglich die Kinder wieder nach Hause zurückbringen, ohne dass ich weiß, wie es jetzt weitergeht.”
„Du könntest in das Frauenhaus …”
Cassie schüttelte den Kopf. „Ich weiß, dass es falscher Stolz ist, Regan, aber ich kann da nicht hingehen. Vor allem nicht mit den Kindern.
Zumindest nicht jetzt.”
„Okay. Dann bleibst du eben hier. Bei mir.” Als Cassie Einspruch erhob, wiederholte Regan ihr Angebot ein zweites Mal. „Ich habe zwar nur noch ein zusätzliches Schlafzimmer, deshalb wird es für euch drei ziemlich eng werden, aber eine Zeit lang wird es bestimmt gehen.”
„Wir können dir unmöglich so zur Last fallen, Regan.”
„Ihr fallt mir nicht zur Last. Es ist ein Notfall, und ich habe es dir doch angeboten. Schau, Cassie, du warst meine erste Freundin hier in Antietam und hast mir geholfen, mich hier einzuleben. Und nun möchte ich dir helfen, also lass es mich auch.”
„Oh nein, Regan, wirklich. Das ist mir unangenehm. Ich habe einiges gespart. Wir könnten ein paar Tage in einem Motel unterkommen, dafür reicht es gerade.”
„Das kommt gar nicht infrage, Cassie. Es ist wirklich alles kein Problem, ihr wohnt für die nächste Zeit bei mir, und dann werden wir weitersehen.
Wenn du es schon nicht für dich tust, dann tu es für die Kinder”, fügte sie schnell hinzu, erleichtert darüber, dass ihr endlich das Argument eingefallen war, das für Cassie am schwersten wog.
Cassies Reaktion bewies ihr, dass sie recht hatte. Nun endlich nickte die Freundin zustimmend. „Also gut. Wenn ich von Devin komme, hole ich sie ab.” Wenn es um ihre Kinder ging, war Cassie sogar ihr Stolz nicht mehr wichtig. „Ich bin dir wirklich sehr dankbar, Regan.”
„Ich dir auch. Jetzt.”
„Ja, was ist denn hier los? Gemütliches Plauderstündchen während der Geschäftszeiten, hm?” Rafe kam vergnügt zur Tür herein und warf seinen Mantel schwungvoll auf die Couch. Erst nachdem er sich gesetzt hatte, fiel ihm Cassies zerschlagenes Gesicht auf.
Zu beobachten, wie sich Rafes eben noch charmant vergnügte Miene in eine eisige Maske verwandelte, machte Regan für einen Augenblick sprachlos. Als könne er seinen Augen nicht trauen, streckte er die Hand aus und fuhr leicht mit einer Fingerspitze über den Bluterguss.
„Joe?”
„Es … es war ein Unfall”, stammelte Cassie.
Er stieß einen wüsten Fluch aus und sprang auf. Sofort war Cassie, die seine Gedanken erriet, ebenfalls auf den Beinen und stellte sich ihm in den Weg.
„Nein, Rafe, bitte”, flehte sie, „mach keine Dummheiten.” Verzweifelt krallte sie sich in seinen Ärmel. „Bitte, geh nicht zu ihm.”
Er hätte sie mit Leichtigkeit beiseiteschieben können, aber er tat es nicht, weil ihm klar war, dass er damit nur noch mehr Ol ins Feuer gießen würde. „Hör zu, Cassie”, sagte er deshalb in ruhigem Ton, „du bleibst hier bei Regan.”
„Nein, bitte.” Hilflos begann Cassie wieder zu weinen. „Bitte. Mach nicht alles noch schlimmer, als es sowieso schon ist.”
„Diesmal wird der Dreckskerl für seine Sauereien bezahlen”, stieß Rafe zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, drückte sie entschlossen in den Sessel und schaute auf sie herunter. Ihre Tränen bewirkten, dass er weich wurde. „Cassie.” Er kniete sich neben sie hin, schlang die Arme um sie und zog sie an seine Brust. „Hör auf zu weinen, Baby. Komm,
Weitere Kostenlose Bücher