Zwischen Sehnsucht und Verlangen
erzähl’s dir trotzdem.” Ohne Rafes wütendes Schnauben zu beachten, setzte sich Devin seelenruhig auf einen wackligen, mit Farbe bespritzten Stuhl und schlug die Beine übereinander. „Wenn du mich fragst, sieht sie so aus, als hätte sie in letzter Zeit nicht besonders viel geschlafen.”
„Ich frag dich aber nicht.”
„Ed hat erzählt, dass sie nicht mal in ihrer Mittagspause zum Essen rüberkommt. Irgendwas muss ihr offensichtlich ziemlich auf den Magen geschlagen sein. Nun ist es durchaus vorstellbar, dass sie das mit Joe aus der Bahn geworfen hat, und doch werde ich den Verdacht nicht los, dass noch etwas anderes dahintersteckt.”
„Sie wird’s schon wieder auf die Reihe kriegen, sie kann sehr gut auf sich allein aufpassen.”
„Sicher kann sie das. Und doch hätte ihr, wenn es Joe gelungen wäre, sie in die Wohnung zu ziehen, noch weitaus mehr passieren können.”
„Glaubst du vielleicht, das wüsste ich nicht selbst?”, fauchte Rafe.
„Ja, ich denke schon, dass du das weißt. Und ich denke noch etwas: dass das Wissen darum dich fast auffrisst, und das tut mir leid.
Bist du jetzt bereit, mir zuzuhören?”
„Nein.”
Da Rafes Verneinung in Devins Ohren jedoch nicht entschieden genug klang, beschloss er zu sagen, was er zu sagen hatte. „Augenzeugen haben ausgesagt, dass sie zuerst dachten, Regan sei betrunken, als sie hereingewankt kam. Wenn Ed sich nicht sofort um sie gekümmert hätte, wäre sie mit Sicherheit in Ohnmacht gefallen.”
„Ich will das alles nicht hören.”
„Verstehe”, murmelte Devin und betrachtete Rafes Hand, die den Hammergriff so fest umklammert hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten.
„Als ich zu ihr kam, befand sie sich in einem Schockzustand, Rafe, verstehst du? Ihre Pupillen waren riesengroß, und ich habe erst überlegt, ob ich nicht den Notarzt rufen sollte. Aber dann hat sie mit aller Kraft versucht, sich zusammenzureißen, was ihr nach kurzer Zeit auch gelang.”
„Sie ist eben knallhart. Auch gegen sich selbst. Erzähl mir doch mal etwas, das ich nicht weiß.”
„Okay. Also, ich glaube kaum, dass du in dem Zustand, in dem du dich befunden hast, als du in mein Büro reingeplatzt kamst, wirklich bemerkt hast, was mit ihr los ist. Sie hat sich eben zusammengenommen, weil ihr zu dem Zeitpunkt nichts anderes übrig blieb. Aber du hättest ihren erleichterten Gesichtsausdruck sehen sollen, als sie dich sah.”
„Sie braucht mich nicht.”
„Das ist doch absoluter Käse. Mag ja sein, dass du leicht beschränkt bist, aber so viel solltest du doch noch wissen.”
„Immerhin weiß ich jetzt, dass ich beschränkt genug war, sie an mich heranzulassen, und das zuzulassen, was sie von mir wollte. Damit allerdings hat es jetzt ein Ende, denn beschränkt genug, um mich vollends zum Narren zu machen, bin ich auch wieder nicht.” Entschieden rammte er den Hammer in die dafür vorgesehene Schlaufe an seinem Werkzeuggürtel. „Und ich brauche sie ebenso wenig wie sie mich.”
Seufzend erhob Devin sich. „Du bist bis über beide Ohren verliebt in sie.”
„Keineswegs. Vielleicht hatte ich eine Zeit lang eine Schwäche für sie, aber darüber bin ich längst hinweg.”
Devin hob die Brauen. „Bist du sicher?”
„Ich habe es doch gesagt, oder nicht?”
„Gut.” Devin lächelte. „Dann ist ja alles klar. Da ich annahm, du hättest was mit ihr am Laufen, wollte ich dir nicht in die Quere kommen. Aber nachdem du mir versichert hast, dass du nicht interessiert bist, sieht die Sache für mich natürlich anders aus. Mal sehen, ob es mir nicht vielleicht doch gelingt, ihren Appetit anzuregen.”
Er hatte den Schlag, der mit voller Wucht gegen seinen Kiefer donnerte, schon erwartet und nahm ihn mit stoischer Gelassenheit sowie in der Gewissheit, einen Punkt gemacht zu haben, hin. Es stand nur zu hoffen, dass sein Kiefer der Begegnung mit Rafes Faust standgehalten hatte.
„Teufel noch mal, du bist ja tatsächlich drüber weg.”
„Vielleicht sollte ich dir gleich noch eins überbraten”, stieß Rafe nun aufgebracht zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
„Das würde ich an deiner Stelle lieber sein lassen. Dieser eine war frei.”
Vorsichtig schob Devin den Unterkiefer vor und zurück. „Eins muss man dir lassen, Rafe, du hast noch immer einen verflucht präzisen Schlag.”
Fast schon amüsiert streckte Rafe seine schmerzenden Finger. „Und du hast einen Kiefer wie ein Felsbrocken, du Dreckskerl.”
„Ich mag dich auch.”
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