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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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Handlungen.
    Als er das Rehazentrum erreichte, war es bereits dunkel. Er parkte in der Nähe des Eingangs und ging hinein. Kaum hatte er die hell erleuchtete Eingangshalle betreten, vergaß er den Keller-Fall und dachte nur noch an seine Frau.
    Sie würde heute nach Hause kommen. Endlich.
    Er hoffte, dass jetzt der eigentliche Heilungsprozess beginnen und alles wieder gut werden würde. Am Abend zuvor hatten er, die Mädchen und seine Mutter stundenlang alles für ihre Rückkehr vorbereitet. Sie hatten überall Blumen hingestellt und den Kühlschrank mit ihrem Lieblingsessen gefüllt. Seine Mutter hatte den ganzen Tag mit den Mädchen in der Küche gestanden und Baklava und Moussaka zubereitet; außerdem hatten sie einen Zitronenkuchen mit Glasur überzogen und ihn mit echten Orchideen verziert. Über der Frontveranda hatten sie ein Spruchband gespannt, auf dem Unsere Heldin sei herzlich willkommen! stand. Das Willkommen zu Hause, Mommy -Banner hatten sie in der Küche aufgehängt.
    Betsy hatte Stunden damit verbracht, Jolenes Schlafzimmer im Erdgeschoss zu dekorieren. Es gab ein neues Bett, eine neue Steppdecke in leuchtenden Farben und buchstäblich Dutzende von Kissen, damit ihr Bein in eine bequeme Liegeposition gebracht werden konnte.
    Alles war perfekt.
    Jetzt ging Michael durch die hell erleuchteten Korridore des Rehazentrums zu ihrem Zimmer. Als er eintrat, saß Jolene im Rollstuhl am Fenster und blickte hinaus.
    Im Profil sah sie so schön aus wie eh und je. Ihre Gesichtsverletzungen waren fast verheilt. Nur an ihrem Kiefer war noch eine schmale rosafarbene Narbe geblieben. Jolene hatte leicht die Stirn gerunzelt und kaute an ihrem Daumennagel.
    »Du wirkst nervös«, sagte er beim Eintreten.
    Sie wandte den Kopf zu ihm und sah ihn ernst an. »Das bin ich auch.«
    Ihre Antwort überraschte ihn. Jolene hatte noch nie Angst oder Sorge gezeigt, weder beim Tod ihrer Eltern noch bei der Geburt ihrer Töchter, nicht mal, als sie in den Krieg zog. All dem war sie mit dem Mut und der Selbstbeherrschung entgegengetreten, die so unveränderlich zu ihr gehörten wie ihre grünen Augen.
    Er sah ihr an, dass es ihr widerstrebte, nach Hause zu gehen. Ihn durchzuckte die Frage, ob er sie endgültig verloren hatte.
    Er wollte etwas Bedeutsames sagen, aber sie wirkte so distanziert – als wäre ihre Haltung nur gespielt –, dass er es nicht wagte. »Zeit, heimzugehen.«
    »Heim.« Aus ihrem Mund klang es fremd und leicht bedrohlich. »Meine Sachen sind in dem Matchsack.«
    Er nahm den tarnfarbenen Matchsack, brachte ihn zum Wagen und war kurz darauf wieder bei ihr. Dann schob er sie aus dem Rehazentrum. Auf dem Parkplatz öffnete er die Beifahrertür und wandte sich zu ihr.
    Ihr Hosenbein hing von ihrem rechten Oberschenkel so schlaff wie eine Fahne ohne Wind herunter. Er starrte darauf und fragte sich, wie er sie hochheben sollte. Conny hatte es ihm nie gezeigt. Konnte er ihr Bein berühren, oder tat er ihr damit weh?
    Stundenlang hatte Jolene darüber nachgedacht, wie es wäre, heimzukommen. In ihrer Vorstellung war alles perfekt: die Mädchen würden lachen, sie würde vor Rührung weinen, und Mila würde ihnen allen etwas kochen. In der letzten Stunde hatte sie in ihrem dämmrigen Zimmer im Rollstuhl gesessen und immer wieder zu sich gesagt, dass sie es schaffen konnte. Sie konnte nach Hause gehen und die Frau sein, die sie früher einmal war.
    Doch jetzt, am Lexus, merkte sie, wie Michael zögerte. Er konnte ihr Bein nicht mal ansehen, geschweige denn es anfassen.
    Sie packte die Metallreifen des Rollstuhls und rollte an ihm vorbei, um eigenständig in den Wagen zu steigen.
    »Jolene, warte …«, sagte Michael.
    Sie ignorierte ihn, stellte die Bremse fest und streckte die Arme zum Beifahrersitz aus. Wo sollte sie sich festhalten? Was würde sie am besten stützen? Das hatte sie mit Conny noch nicht geübt.
    »Sieht aus, als wollten Sie mal wieder alles alleine machen. Ich dachte, das hätten wir schon besprochen.«
    Conny überquerte den Parkplatz und kam mit schwingenden Dreadlocks auf sie zu. Während er sich ihnen näherte, band er sie zu einem Pferdeschwanz zusammen.
    »Hey«, sagte Jolene, als er sie erreicht hatte.
    »Wollten Sie sich etwa einfach davonschleichen? Ich bin extra länger geblieben, um mich zu verabschieden.«
    »Aber ich komme doch wieder.« Sie blickte zu ihm auf und empfand plötzlich wieder Angst; Angst, ihn zu verlassen und nach Hause zu gehen, wo alles nur davon zeugte, was sie verloren

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