Zwischen uns das Meer (German Edition)
rosafarbene und gelbe Bettwäsche mit hawaiianischem Muster zeugte vom Einkaufstrip der Mädchen. Etliche Kissen waren übers Bett verstreut, und am Fußende lag gefaltet eine dicke weiße Decke.
Sie sah, dass sie sich große Mühe gemacht hatten, sie zu Hause willkommen zu heißen, und hätte gerne die entsprechenden Gefühle verspürt. Doch eigentlich war sie nur müde. Sie war erst ein paar Stunden hier und hatte sie schon enttäuscht.
Sie hörte, wie Michael zu ihr trat. »Ich hätte nicht zulassen sollen, dass sie dich so belagern«, gab er zu. »Aber sie haben sich so auf dich gefreut.«
Jolene brachte kaum ein »Ist schon gut« heraus. Sie wollte jetzt nur noch allein sein. Sie hatte heute Abend versagt. Versagt.
»Ich hab das Bad ein bisschen behindertengerechter machen lassen – mit Griffen und Handläufen.«
»Toll. Danke.«
Er warf einen Blick auf ihren herausstakenden Beinstumpf, der in schlaff herunterfallendem Stoff endete, und wandte ihn rasch wieder ab. »Wenn du Hilfe brauchst …«
»Keine Sorge, Michael. Dein Dienst endet an dieser Tür. Ab hier komm ich allein zurecht«, sagte sie angespannt.
»Das ist nicht fair, Jo.«
»Fair?« Wut schoss in ihr hoch. »Nichts hiervon ist fair, Michael.« Sie griff nach den Rädern des Rollstuhls und entfernte sich von ihm. Sie hatte es schon fast bis zum Bad geschafft, als er ihren Namen sagte. Sie stoppte und blickte sich nach ihm um.
»Soll ich bei dir schlafen? Falls du was brauchst?«
Falls du was brauchst . Sehr romantisch. »Nein, Michael. Ich möchte lieber allein sein.«
» Vielleicht hab ich mich nicht richtig ausgedrückt. Vielleicht …«
»Gute Nacht, Michael«, sagte sie entschieden, rollte ins Bad und schloss die Tür hinter sich.
Als sie die Bremse feststellte, aufstand und sich an der gefliesten Ablage festhielt, redete sie sich ein, sie wäre nicht enttäuscht.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich das Gesicht gewaschen und die Zähne geputzt hatte. Sie war so müde und verlor ständig ihre Konzentration und Balance. Einmal fiel sie fast vornüber. Als sie auf die Toilette blickte, überkam sie eine Welle der Erschöpfung. Sie biss die Zähne zusammen, hüpfte dorthin und war nur dankbar, dass Michael Handläufe hatte anbringen lassen. Sie hielt sich mit ihrer gesunden Hand fest und senkte sich auf den Sitz ab, bemerkte aber erst dann, dass sie ihre Hose noch anhatte. Eine Minute lang blieb sie einfach sitzen, weil sie zu müde war, um sich zu rühren, dann erhob sie sich mühsam. Es war schwerer als erwartet, ihre Hose zu öffnen und herunterzuziehen, ohne zu fallen, aber schließlich schaffte sie es.
Wer hätte gedacht, dass es so verdammt schwer werden würde, auf die Toilette zu gehen? Willkommen zu Hause, Jo.
Während sie saß, zog sie Oberteil und BH aus und streifte das bodenlange Flanellnachthemd über, das die Mädchen für sie gekauft hatten. Danach stand sie vorsichtig auf.
Da sie nur unsicher stehen konnte, hielt sie sich wieder an der Ablage fest und sah sich aus dem Augenwinkel im Spiegel über dem Waschbecken. Langsam wandte sie sich dorthin.
Ihr Gesicht war erschreckend schmal, und ihre Wangenknochen standen scharf hervor. Die Schürfwunden und Blutergüsse waren verheilt; nur eine schmale, rosafarbene Narbe am Kiefer war ihr vom Unfall geblieben.
Vom Unfall.
Würde sie jedes Mal, wenn sie in den Spiegel sah, daran denken? Aber wieso auch nicht? Seufzend wandte sie sich ab. Die Frau im Spiegel kannte sie nicht mehr.
Es dauerte erneut eine Ewigkeit, das Bad zu verlassen. Als sie zurück ins Zimmer gerollt kam, sah sie, dass Michael mit besorgter Miene im Türrahmen stand.
Noch bevor sie versuchen konnte, selbständig ins Bett zu steigen, war Michael schon da und half ihr. Kaum lag sie, spürte sie, wie sie erschlaffte. Seufzend ließ sie sich in die weichen Kissen sinken. Er half ihr, ihr Restbein auf Kissen zu stützen.
»Deine Schlaf- und Schmerztabletten sind direkt hier auf dem Nachttischchen. Außerdem Wasser und ein Sandwich, falls du Hunger bekommst.«
Er strich ihr das Haar aus der Stirn.
Widerwillig bemerkte sie, wie ihr Körper auf seine Berührung reagierte. So war es schon immer gewesen, von Anfang an. Selbst jetzt, trotz ihrer Erschöpfung, spürte sie seine Anziehungskraft.
Gefährlich, Jo.
»Dir ist schon klar, dass wir über uns reden müssen, oder?«, sagte er schließlich.
»Da gibt es nichts mehr zu reden, Michael. Du hast vor meinem Aufbruch alles Wesentliche gesagt. Jetzt lass
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