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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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gefiel ihr gar nicht. Sie wollte das schon äußern, als sie das Mitleid in Jamies Blick sah und sich plötzlich einsam fühlte. Mit einer Bemerkung – die sie gar nicht richtig mitbekam – entfernte sie sich, ging am Grill vorbei, wo alle zu lachen schienen, und kam zum Rosengarten des Captains. Sie betrachtete die leuchtend rosafarbenen Knospen. Rosa. Ihre Lieblingsrosen waren rote. Früher hatte Michael das gewusst.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Tami, kam zu ihr und stieß sie leicht mit der Hüfte an.
    »Na klar«, antwortete sie etwas zu rasch.
    »Ich bin für dich da«, sagte Tami leise, als wüsste sie, woran Jolene dachte. »Wir alle sind es.«
    »Ich weiß«, erwiderte Jolene und sah sich nach den Menschen um, die ihr so viel bedeuteten. Jeder, den sie anblickte, winkte ihr lächelnd zu. Sie liebten sie und kümmerten sich um sie; diese Menschen waren ebenso ihre Familie wie Michael und die Kinder. Sie konnte sich glücklich schätzen.
    Es war schon in Ordnung, dass Michael nicht hier war; sie waren ein Ehepaar, keine siamesischen Zwillinge. Sie mussten nicht alles im Leben teilen.

D REI
    Als Jolene am Mittwochmorgen von ihrem Jogging zurückkehrte, erwartete Betsy sie in zu klein gewordenem Bademantel, Flanellpyjama und rosafarbenen Ugg-Stiefeln auf der Veranda. Sie blickte finster drein – ein vertrauter Anblick in letzter Zeit.
    Jolene rannte keuchend die Einfahrt hinauf. Ihr Atem kondensierte deutlich sichtbar zu einem Wölkchen. »Was ist los?«
    »Heute ist Mittwoch«, sagte Betsy in einem Tonfall, mit dem man auch hätte sagen können Du hast Krebs.
    Ach ja. Das. »Rein mit dir.« Jolene scheuchte Betsy ins Haus, wo es warm war.
    »Du kannst nicht hingehen, Mom. Ich werde sagen, du seiest krank geworden.«
    »Ich werde zum Berufskundetag gehen, Betsy«, versicherte Jolene und schaltete die Kaffeemaschine an.
    Vor lauter Ärger kreischte Betsy fast: »Schön. Ruinier mir mein Leben!« Sie stampfte aus der Küche und die Treppe hinauf. Oben angekommen, knallte sie ihre Zimmertür zu.
    »O nein, diesmal nicht«, murmelte Jolene und folgte ihrer Tochter die Treppe hinauf. Dann klopfte sie laut an die geschlossene Tür.
    »Geh weg.«
    Jolene klopfte noch einmal.
    »Schön. Komm rein. Kommst du ja sowieso. In diesem blöden Haus gibt’s ja keine Privatsphäre.«
    Jolene nahm die freundliche Einladung an und öffnete die Tür.
    Betsys Zimmer zeugte sowohl von der Zwölfjährigen, die seit ein paar Monaten hier wohnte, als auch von dem Wildfang, der hier früher gelebt hatte. Die Wände waren immer noch in dem hellen Weizengelb gestrichen, für das Jolene sich fast zehn Jahre zuvor entschieden hatte. Das weiße Kinderbett, die Frisierkommode und die gerahmten Winnie-Puuh-Bilder waren verschwunden. Stattdessen sah man ein Himmelbett mit einer Tagesdecke aus Jeansstoff, eine antike gelbe Kommode mit blauen Knäufen und Poster von Teenie-Bands. Überall zeigte sich der Kampf zwischen Kindheit und Jugend: auf dem Nachttisch türmten sich Schminkartikel (die sie außerhalb des Hauses noch nicht verwenden durfte), ein Einmachglas mit bunten Scherben und Kieselsteinen vom Strand und ihr einst so heiß geliebtes Schmetterlingsnetz, das Seth ihr zum achten Geburtstag geschenkt hatte. Auf dem Boden lagen Haufen von Kleidern, die sie gestern vor der Schule anprobiert und verworfen hatte.
    Betsy saß mit finsterer Miene und angezogenen Knien auf dem Bett.
    Jolene setzte sich zu ihr. Sie floss über vor Mitleid für ihre Tochter, der die Middle School so zusetzte. Dieses einst so muntere, selbstbewusste Mädchen war in einem Meer gehässiger Mitschülerinnen und unmöglicher sozialer Anforderungen untergegangen; in letzter Zeit war sie so unsicher, dass ihr nichts mehr leichtfiel und keine Entscheidung ohne die Billigung ihrer Clique getroffen werden konnte. Das Wichtigste war, dazuzugehören, und das klappte eindeutig nicht.
    »Warum willst du nicht, dass ich heute mitkomme?«
    »Weil es peinlich ist. Ich hab dir doch gesagt, dass von den anderen Eltern keiner bei der Armee ist.«
    Jolene wollte nicht gekränkt sein, und es gelang ihr auch fast. Es war nur ein winziger Stich, wie von einer Nadel. »Du hast ja gar keine Ahnung, was wirklich peinlich ist«, sagte sie leise und dachte daran, wie ihre eigene Mutter betrunken zum Elternsprechtag gekommen war und nur genuschelt hatte.
    »Sierra wird sich über mich lustig machen.«
    »Dann ist sie keine besonders gute Freundin, oder? Warum sagst du mir nicht, was los

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