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Zwischen uns das Meer (German Edition)

Zwischen uns das Meer (German Edition)

Titel: Zwischen uns das Meer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Hannah
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er zu Hause bearbeiten konnte, zusammen und verließ sein Büro. »Ich habe etwas für Sie diktiert. Es liegt auf meinem Schreibtisch. Und versuchen Sie noch mal Kellers Vater zu erreichen und ihn daran zu erinnern, dass ich wirklich mit seinem Sohn sprechen muss«, sagte er im Vorbeigehen zu Ann. »Wenn nötig, bin ich über Handy erreichbar.«
    »Aber Ihr Termin um Viertel nach vier …«
    »Wird abgesagt. Ich muss jetzt los«, sagte er, ohne stehen zu bleiben.
    Draußen war es stark bewölkt und nieselte. Die Autoscheinwerfer leuchteten im Nieselregen und sahen aus wie eine endlose Schlange aus verschwommenen gelben Bällen, die sich zentimeterweise die nassen Straßen hinunterschoben. Als er von seinem Büro wegfuhr, sah er undeutlich Neonschilder aufblitzen, die von der bewegten Vergangenheit der Innenstadt zeugten – Waffengeschäfte, Läden mit nicht jugendfreien Büchern und heruntergekommene Spelunken. Er folgte dem stockenden Verkehr bis zum Fährhafen, fluchte bei jeder roten Ampel und schaute ständig auf die Uhr.
    Als er die Schlange vor dem Fahrkartenschalter sah, wusste er, dass er in Schwierigkeiten steckte. Plötzlich fiel ihm ein, dass es der Donnerstag vor dem Memorial-Day-Wochenende war. Die Touristen strömten schon scharenweise nach Bainbridge Island und zur wunderschönen Olympic Peninsula. Ungeduldig trommelte er mit den Fingern auf seinem lederbezogenen Lenkrad und schob sich Zentimeter für Zentimeter vorwärts, immer dem Wagen vor ihm nach, bis er endlich ein Ticket kaufen konnte. »Nächste Fähre?«, fragte er angespannt.
    »Zwanzig nach sechs.«
    »Mist.« Michael rechnete rasch nach; wenn er auf die Fähre wartete, wäre er frühestens um zwanzig nach sieben zu Hause. Aber er konnte auch den Landweg nehmen; obwohl die Kitsap-Halbinsel mit der Fähre nur fünfunddreißig Minuten von Seattle entfernt war, konnte man auch durch Tacoma fahren und vom Festland nach Poulsbo kommen. Das war in knapp zwei Stunden zu schaffen. Und es war erst Viertel vor vier. Also würde er es vor dem Berufsverkehr durch Tacoma schaffen.
    »Danke.« Er fuhr aus der Autoschlange und zurück durch die Stadt. Nach nicht mal zehn Minuten raste er auf die I-5 Richtung Süden. Er klappte sein Handy auf und wollte seine Mutter anrufen, aber die meldete sich nicht. Wahrscheinlich hatte ihr Akku den Geist aufgegeben. Dann rief er in der Kindertagesstätte an und gab Bescheid, dass er Lulu nicht rechtzeitig abholen konnte.
    Vier Uhr.
    Ja, er würde nicht da sein, wenn Betsy nach Hause kam.
    Er wusste, was Jolene sagen würde, sah förmlich ihren enttäuschten Blick, aber er würde höchstens fünfzehn, zwanzig Minuten zu spät kommen. Herrgott noch mal, Betsy war zwölf, da konnte sie ohne weiteres fünfzehn Minuten allein zu Hause sein! Höchstens dreißig.
    Er drehte die Musik laut – ein Konzertalbum von U2 – und konzentrierte sich darauf, durch den jetzt stärker gewordenen Regen zu fahren. Er kam gut voran, bis er die Narrows Bridge erreichte. Die riesigen grünen Stützpfeiler sahen im prasselnden Regen aus wie überdimensionale Leitern.
    Und der Verkehr war lahmgelegt. In der Ferne sah er blitzende rote Ambulanz-Lichter.
    »Verdammt!«, fluchte er und klappte das Handy auf. Er wählte seinen Festnetzanschluss an und hinterließ für Betsy eine Nachricht: »Ich stecke im Verkehr fest, Betsy. Bleib, wo du bist. Ich komme so schnell wie möglich nach Hause. Spätestens um sechs. Wenn du willst, kannst du mich über Handy erreichen.«
    Dann wartete er … und wartete … und wartete in einer Riesenschlange Pkws, während der Regen die Sicht durch die Windschutzscheibe verschwimmen ließ. Die ganze Zeit spürte er, wie sein Blutdruck stieg, aber er konnte nichts machen. Um zwanzig vor sechs rief er wieder zu Hause an. »Verdammt, Betsy, nimm ab!« Als sie sich nicht meldete, rief er bei seiner Mutter zu Hause an. Da auch sie sich nicht meldete, hinterließ er eine Nachricht.
    Es war fast zwanzig nach sechs, als die Straße endlich geräumt war und die Wagen sich wieder in Bewegung setzen konnten. Michael stieg aufs Gas – zu heftig – und raste heimwärts. Als er auf den Parkplatz der Kindertagesstätte fuhr, dröhnte ihm der Schädel. In der kleinen, gepflegten Einrichtung wartete die Kindergärtnerin auf ihn. »Es tut mir so leid«, entschuldigte er sich und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Auf der Narrows Bridge war ein Unfall. Hässliche Sache. Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte.«
    Sie

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