Zwischen uns das Meer (German Edition)
aufstellte. Normalerweise wäre Jolene jetzt auch mit Klappliegen und Kühltasche dort.
Er ging wieder ins Haus. »He, Lulu«, sagte er und drückte die Tür hinter sich zu. »Hilfst du mir, die Fahne zu suchen?«
Z WÖLF
Liebe Mom,
ich hatte das beste Wochenende ALLER ZEITEN. Du wirst nicht glauben, was passiert ist. Aber ich will von vorne anfangen. Zuerst hab ich mein Handy gekriegt – Du weißt schon –, und Sierra fand das so cool, dass sie sich zu mir setzte. Dann hat sie in Sport mit mir geredet, und DANN hat sie sich mit Zoe gestritten, weil die nämlich sie wegen etwas angelogen hatte, was Jimmy über sie gesagt hatte. Deshalb ist Sierra jetzt wieder MEINE Freundin. Letzte Woche sind wir zusammen ins Kino gegangen und haben KRIEG DER WELTEN gesehen, was ziemlich cool war. Und weiß Du was? Zoe war auch da, aber wir haben sie nicht mal angesprochen.
Dad meint, Sierra und ich könnten im Juli zusammen in ein Kajakcamp. Cool, was?
Wie auch immer, das war’s schon. Hier ist alles in Ordnung.
Lulu denkt jetzt nicht mehr ständig, sie wäre unsichtbar, das ist doch auch gut. Wir haben Daddy dazu gebracht, eine Fahne zu hissen.
So, jetzt muss ich aufhören. Daddy will wieder mal Pizza zum Abendessen bestellen, und ich will eine mit Ananas. Pass auf Dich auf, Mom.
In Liebe, B.
PS: Sierra lässt fragen, ob Du schon jemanden erschossen hast. Hast Du?
Liebe Betsy,
wow! Was für Neuigkeiten! Ich freue mich, dass Du und Sierra an eurer Freundschaft arbeitet. Ihr beide seid jetzt schon lange Jahre befreundet, und solche Beziehungen sind wichtig. ABER bitte sei vorsichtig. Ich hab die Sache mit Sierra und den Zigaretten noch gut in Erinnerung und glaube, ehrlich gesagt, dass sie manchmal ziemlich gemein sein kann. Pass auf Dich auf.
Du solltest auch nicht vergessen, wie es sich anfühlte, als Sierra und Zoe Dich ausgeschlossen hatten. Möchtest Du wirklich jemand sein, der Menschen so behandelt? Jemand, der ein Mädchen aus reinem Spaß kränkt? Sei nett zu Zoe. Ich weiß, wie nett Du sein kannst, also gib Dir Mühe.
Aber ich freue mich auch, dass ihr so einen schönen Sommer erlebt. Ich wünschte, ich wäre bei euch. Ihr fehlt mir sehr.
Macht euch keine Sorgen um mich. Ich weiß, ihr habt den Bericht bei CNN gesehen, aber mir geht es gut. Zugegeben, es ist gefährlich hier. Aber die meiste Zeit fliegen Tami und ich außerhalb der gefährlichen Zonen. Ihr müsst euch keine Sorgen um mich machen. Wirklich nicht.
Ich hab Dich lieb. Bis zum Mond und wieder zurück. Mom
PS: Sag Deinem Dad, er soll nicht so viel Pizza kaufen! Und nein, ich habe noch niemanden erschossen. Hat Sierra das wirklich gefragt?
JULI 2005
In einem Buch von Stephen King las ich mal die Abkürzung NTSS : Neuer Tag, selber Scheiß. Diese Beschreibung trifft es ziemlich, wenn ich an den letzten Monat im Irak denke. Tag für Tag mitten in der Nacht aufstehen, Tagesbefehl erhalten, Helikopter checken und dann fliegen.
Heute hatte ich insgesamt über vierzehn Stunden Dienst. Ehrlich gesagt, sind Tami und ich meistens viel zu müde, um vor dem Schlafengehen groß zu reden. Die Hitze und der Staub sind unerträglich. An den meisten Tagen müssen wir über 50 Grad aushalten, und das mit Helm, Handschuhen und kugelsicherer Weste. Ich will nicht wissen, wie ich nach einer Mission rieche!
Wir sind viel bei Nacht geflogen, und das ist, zumindest was die Hitze betrifft, besser. Manchmal unterstützen wir die Rettungssanitäter, und ich muss sagen, das ist auch kein leichter Job. Mir wollen einfach die Bilder von verstümmelten, blutenden, um Hilfe schreienden Soldaten nicht mehr aus dem Kopf gehen.
Erst gestern musste ich mit einem Jungen vor dem Lazarett-Zelt sitzen. Er war höchstens fünfundzwanzig, und ich wusste, er würde es nicht schaffen. Ich bin kein Arzt, und seine Verletzungen kann ich bis jetzt nicht beschreiben, weil sie zu schrecklich sind. Ich wusste, das war’s. Jedenfalls hielt ich seine Hand und hörte ihm zu, und die meiste Zeit sagte er immer wieder: Sagen Sie meiner Frau, ich liebe sie. Ich versprach es ihm, und jetzt werde ich ihr einen Brief schreiben, mehr kann ich nicht tun. Aber als ich ihn verließ, als er starb, stand ich einfach nur da und hörte, wie der Krieg weiterging und die Ärzte brüllten und irgendwo in der Nähe ein Helikopter landete. Da fragte ich mich, was ich am Ende wohl sagen würde. Natürlich würde ich an meine Kinder denken, die ich über alles liebe, aber was ist mit Michael? Ich weiß, er
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