Zwischen uns das Meer (German Edition)
nach links.
Sie hörte, wie die Kugeln eines Maschinengewehrs auf den Helikopter trafen. Tinktinktink. Zuerst eine einzelne, dann mehrere dicht aufeinander folgend, prasselnd wie Regen auf einem Blechdach. Rauch erfüllte die Kabine.
»Da«, rief Tami, »auf der rechten Seite.«
Unter ihnen auf einem Flachdach feuerten Aufständische auf sie. Ein Maschinengewehr auf einem Stativ spuckte Feuer.
Jolene schwenkte wieder nach links. In diesem Augenblick explodierte der Hubschrauber rechts von ihr. Brennende Metallteile schlugen in die Seite von Jolenes Helikopter ein. Eine Hitzewelle traf sie und warf sie aus der Bahn.
»Knife Null-Vier, hören Sie mich?«, fragte Tami über Funk. »Hier spricht Raptor Acht-Neun.«
Der Hubschrauber neben ihnen trudelte zu Boden. Als er dort aufschlug, stieg eine schwarze Rauchwolke auf. Für den Bruchteil einer Sekunde konnte Jolene ihren Blick nicht davon lösen.
Tami gab über Funk die Koordinaten der Unfallstelle zum Stützpunkt durch. »Knife Null-Vier, hören Sie mich?«
Jolene vollführte eine Serie schneller Richtungswechsel, um auszuweichen, variierte mehrfach Fluggeschwindigkeit und Höhe. Hoch, runter, rechts, links.
Als sie außer Schussweite waren, drehte sie sich zu ihrer Crew um. »Alles in Ordnung mit euch?«, fragte sie und hörte, wie ihre Frage bejaht wurde.
Daraufhin folgte sie dem anderen Black Hawk zum Washington Heliport und landete hinter ihm. Als sie sich abschnallte und ihre kugelsichere Weste auszog, zitterten ihr die Hände.
Sie stieg vom Sitz und kletterte auf die Landefläche. Der Himmel war dunkelgrau, aber selbst in diesem trüben Licht konnte sie den dichten schwarzen Rauch sehen, der von der Unfallstelle aufstieg. Sie schloss die Augen und betete für die Abgestürzten, obwohl sie tief im Innern bereits wusste, dass keiner die Explosion überlebt hatte. Sekunden später donnerten Kampfjets über den Nachthimmel; Bomben explodierten in roten Feuerblüten. Sie wusste, dass ein Rettungshubschrauber so schnell wie möglich zur Absturzstelle fliegen und versuchen würde, Opfer und Überlebende zu bergen.
Unwillkürlich dachte sie, dass das Warten wohl unerträglich wäre, wenn man doch überlebt hätte und verletzt auf feindlichem Gebiet läge.
Hätte sie irgendetwas tun können, um das zu verhindern? Hätte eine andere Entscheidung von ihr zu einem anderen Ergebnis geführt? Sie waren in Kampfformation geflogen, um einander zu schützen, aber Jolene hatte ihren Partnerhubschrauber nicht geschützt; schon bald würde am anderen Ende der Welt ein Armeebeauftragter einer Familie die schlimmste Nachricht überbringen.
Tami und Jamie gesellten sich zu ihr. Sie standen vor ihrem Hubschrauber, der von Kugeln durchsiebt war.
Keiner sagte ein Wort. Jeder von ihnen wusste, dass eine Kugel an der richtigen Stelle, ein Maschinengewehrtreffer dafür hätte sorgen können, dass ihr Hubschrauber in der Wüste verbrannte.
»Hat jemand Hunger?«, fragte Jamie und nahm seinen Helm ab.
»Ich hab immer Hunger«, antwortete Smitty, der gerade hustend zu ihnen kam. Wie üblich grinste er sie an, aber das Lächeln erreichte nicht seine Augen.
An diesem Abend sah Smitty zum ersten Mal nicht mehr jung aus. »Ein selbstgebrannter Mountain Dew käme jetzt gerade recht.«
Wie immer sorgte Jamie dafür, dass das Gespräch nicht abriss, während sie durch die Green Zone gingen. Er scherzte und witzelte in einer Tour, und sie alle waren begierig darauf, über etwas zu lächeln. Während die Wartungscrew ihren Helikopter zusammenflickte, nahmen sie ein frisch zubereitetes Pfannengericht und selbstgemachte Milchshakes zu sich. Und die ganze Zeit sprachen sie über Gott und die Welt – doch nicht über das, was ihnen wirklich im Kopf herumging.
Um Mitternacht waren sie wieder in der Luft und flogen erneut über Bagdad. Sie streiften den gefährlichsten Teil der Stadt. Hier und da hörte man Schüsse – von Aufständischen, die den Hubschrauber hörten, wahllos in die Luft schossen und hofften, ihn zu treffen. Aber der Black Hawk landete ohne weitere Zwischenfälle in Balad.
Jolene schaltete den Motor aus. Die Rotoren drehten sich immer langsamer, und ihr Flopflop zog sich bei jeder Rotation mehr in die Länge.
Endlich entspannte sich Jolene. Durch ihr Nachtsichtgerät wirkte die Welt da draußen verzerrt. Auf dem schwarzen Asphalt sah sie gruselig grüne Gestalten hin und her huschen.
Absurderweise musste sie an Seelen denken, die sich aus ihren Körpern lösten; und
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