Zwischen uns das Meer (German Edition)
feierlich. »Und meine Mädchen werden dich brauchen.«
Tami nickte.
»Aber wir schaffen es.«
»Natürlich schaffen wir es.«
Sie lächelten sich an. Jolene wusste nicht, wie sie aussah, aber sie bemerkte die Angst in Tamis Augen. Sie waren sich beide nicht mehr so sicher wie zuvor.
AUGUST
Wie soll ich über den Tod eines Kameraden schreiben? Wie soll ich die Angst und Verwirrung beschreiben, die sich immer mehr in mir ausbreiten? Ich kann es nicht. Ich will nicht darüber schreiben. Ich will mich nicht an den Gestank des Rauchs erinnern, an das Reißen des Metalls und das Knattern der Schüsse. Ich will nicht an Wally Toddan und seine junge Witwe denken und das Baby, das seinen Daddy nie lächeln sehen wird. Oder an die Braut, die ohne ihren Vater zum Altar gehen muss.
Ruhe ihn Frieden, Knife Null-Vier, mehr kann ich nicht sagen. Ihr wart Helden und werdet vermisst werden.
D REIZEHN
Nach einem langen, quälend heißen Tag im Hubschrauber – mit dem sie hauptsächlich Zivilisten und irakische Soldaten von und nach Bagdad transportiert hatte – war Jolene erschöpft. Während ihrer Abwesenheit war Balad wieder angegriffen und dieses Mal stark verwüstet worden. Ein Schrapnell konnte erstaunlichen Schaden bei Holz und Metall anrichten – Militärfahrzeuge und Gebäude waren zerstört worden.
Mit Tami an ihrer rechten und Jamie an ihrer linken Seite entfernte sie sich vom Hubschrauber. Keiner von ihnen sagte ein Wort.
»Ich muss zum Kommunikationszentrum«, sagte Tami. »Mal sehen, ob es mittlerweile wieder Internetverbindung gibt. Wenn ich nichts von meiner Familie höre, drehe ich noch durch.«
Die drei änderten leicht ihre Richtung und gingen einen dunklen staubigen Weg zwischen Wohncontainern hindurch.
Es war bereits nach Mitternacht, aber am Stützpunkt herrschte noch viel Betrieb. Am Kommunikationswagen bat Tami: »Wartet hier« und ging hinein. Kurz darauf kam sie mit wütender Miene zurück. »Verdammt. Immer noch kein Internet.«
Jolene seufzte. Sie durchquerten den Stützpunkt; an der DFAC verabschiedete sich Jamie von ihnen. Jolene und Tami gingen weiter zu ihrem Wohnwagen.
Zu müde, um sich zu unterhalten, ließen sie sich aufs Bett fallen und klappten ihre Laptops auf. Sie wollten noch Briefe schreiben, die sie morgen – hoffentlich – absenden konnten.
Meine Lieben, tippte Jolene,
danke für euer Päckchen. Ich kann euch gar nicht sagen, wie viel es mir bedeutet, Post von euch zu bekommen. Ich weiß, dass Betsy das Shampoo ausgesucht hat – der Erdbeerduft ist himmlisch – und Lulu die Glitzerspange. Sie sieht ganz toll aus in meinen Haaren.
Wir sind heute viel und lange geflogen. Normalerweise verlasse ich um halb fünf morgens meinen Wohnwagen, fahre mit dem Rad zur DFAC (dem Container, wo man essen kann) und gehe dann zum Hubschrauber. Mit etwas Glück sind wir abends immer vor neun Uhr zurück. Dann sind wir ziemlich geschlaucht. Aber ich denke ständig an euch. Vor allem, wenn die Weckfunktion an meiner Armbanduhr klingelt, Betsy. Ich hoffe, Du denkst dann auch an mich. J
Gestern habe ich versucht, bei euch anzurufen, aber die Telefone funktionierten nicht, also muss ich mich wohl aufs Mailen verlegen! Ich hab euch Geschenke im Basar gekauft – das ist ein kleiner Markt auf dem Stützpunkt. Ich kann euch sagen, dass er ziemlich verrückt ist. Es wird euch nicht überraschen, dass Tami und ich ein bisschen Zeit gefunden haben, dort zu shoppen. Mädchen bleiben eben Mädchen. J
Morgen haben wir eine Grillparty. Ich hab gehört, es gibt Hot Dogs und gebackene Bohnen, genau wie bei einer Strandparty zu Hause.
Ich weiß, ich bin superweit weg, aber ich tue so, als könnte ich an Lulus Geburtstagsfeier teilnehmen. Ich hoffe, die Geschenke kommen rechtzeitig an! Denk an Mommy, wenn Du Deine Kerzen ausbläst, Schätzchen. Ich hab Dich lieb.
So, jetzt schlafe ich schon im Sitzen ein, daher lege ich mich besser ins Bett. Gleich ist es schon wieder halb fünf, Zeit zum Aufstehen.
Betsy, erinnere Daddy bitte an Deinen Termin beim Kieferorthopäden. Du musst nächste Woche hin. Lulu, könntest Du mir ein Foto von Deiner Geburtstagsparty schicken? Das letzte Foto hängt bei mir an der Wand.
Sie hob die Finger von der Tastatur. Gerne hätte sie noch etwas zu Michael gesagt, aber was? Seit sie hier war, hatte er ihr nicht einmal geschrieben. Wenn sie jetzt auf ihn zuginge, käme sie sich vor wie ihre Mom, so als würde sie sich an einen Mann klammern, der sie nicht liebte.
Ich denke
Weitere Kostenlose Bücher