Zwischen uns die Zeit (German Edition)
fallen.
Nichts.
Ich klopfe noch einmal und warte.
Als nichts passiert, gehe ich seitlich ums Haus herum und spähe durch die dünnen Spitzengardinen erst ins Wohnzimmer und dann in die Küche, aber nirgends regt sich etwas. Wo ist Maggie? Ich lehne mich mit dem Rücken gegen die Hauswand und schlage die Hände vors Gesicht. Was soll ich denn jetzt machen?
Mir fällt nichts Besseres ein, als zu dem Parkplatz zurückzulaufen, wo der Jeep steht– dem Ort, an dem ich Bennett in meiner Gegenwart das letzte Mal gesehen habe.
Während ich an den Villen und Einfamilienhäusern vorbeijogge, fühle ich mich wie in einem surrealen Disneyfilm, der eine heile Welt vorgaukelt, obwohl doch nichts so ist, wie es sein sollte. Die Sonne taucht alles um mich herum in ein warmes Licht, die Bäume stehen in voller Blüte, bunte Tulpen tüpfeln die Beete zwischen den rot gepflasterten Einfahrten und die Rasenflächen leuchten geradezu unnatürlich grün. Die Vögel zwitschern und die Luft, die ich einatme, ist so lau und mild, dass ich das Gefühl habe, daran zu ersticken. Als ich schließlich keuchend das Bürogebäude erreicht habe, hinter dem Bennett gestern Abend geparkt hat, bleibe ich wie erstarrt stehen. Sein Wagen ist verschwunden! Einen Moment lang erlaube ich mir zu glauben, dass das alles vielleicht nur ein schrecklicher Traum war, bis ich den mittlerweile eingetrockneten Fleck von meinem Erbrochenen entdecke und mich wieder der Realität stellen muss.
Erneut steigen mir die Tränen in die Augen, aber ich blinzle sie tapfer weg, mache auf dem Absatz kehrt und laufe den Weg zurück, den ich gekommen bin. Wenn überhaupt irgendeine Chance besteht, etwas über Bennetts Verbleib zu erfahren, dann von Maggie. Ich werde einfach so lange auf ihrer Veranda warten, bis sie wiederkommt.
Als ich mich der Greenwood Street nähere, sehe ich plötzlich Bennetts Jeep auf mich zukommen, dann biegt er nach rechts in die Greenwood ab und verschwindet aus meinem Blickfeld. Ich beschleunige meine Schritte und habe förmlich das Gefühl zu fliegen. Genau in dem Moment, in dem ich um die Ecke gelaufen komme, fährt der Wagen in die Einfahrt. Er ist wieder da! Ich wusste, dass er zurückkommen würde. » Bennett!«, rufe ich und schlage mit der flachen Hand auf die verdunkelte Heckscheibe. » Bennett!« Ich renne um den Wagen herum.
Die Tür geht auf und meine Knie werden weich. Maggie steigt aus. » Es tut mir leid«, sagt sie leise. Ich beuge mich über sie und spähe in das Wageninnere.
» Wo ist er, Maggie? Wo ist Bennett?«
Die alte Dame schließt die Tür und streicht sich die langen weißen Haare aus dem Gesicht. Sie sieht erschöpft aus und sieht mich mit ihren blauen Augen– Bennetts Augen– forschend an. » Du weißt wirklich nicht, wo er ist?«, fragt sie.
» Nein.« Sie würde mir niemals glauben, wenn ich ihr die Wahrheit sagen würde.
» Ach, Anna.« Sie legt mir einen Arm um die Schulter und führt mich um den Wagen herum. » Komm mit rein. Lass uns sprechen.«
Mit zitternden Beinen folge ich ihr ins Haus und in die Küche, wo sie den Wasserkocher füllt und zwei Tassen aus einem Schrank nimmt. » Setz dich doch«, sagt sie, als sie bemerkt, dass ich im Türrahmen stehen geblieben bin, und deutet zum Küchentisch.
Ich setze mich und während sie den Tee zubereitet, sehe ich mich in der behaglich eingerichteten Landhausküche mit den weiß lackierten Möbeln, der Arbeitsplatte aus Granit und dem riesigen, alten Herd um, über dem an einem Gestell Töpfe und Pfannen hängen. Auf dem Fensterbrett steht eine Vase mit einem bunten Frühlingsblumenstrauß und an der Scheibe hängt eine kindliche Hinterglasmalerei, die eine Gebirgslandschaft zeigt. Das Sonnenlicht, das durch das farbig bemalte Glas fällt, wirft blaue, gelbe und grüne Flecken auf die weiße Tischplatte.
» Das Bild hat meine Tochter für mich gemacht, als sie in der Grundschule war«, erzählt Maggie, die meinen Blick bemerkt hat. » Ist es nicht schön, wie das Licht hindurchscheint?« Die alte Dame stellt eine Teetasse vor mich hin und ein blauer Streifen legt sich wie ein Muster um das Porzellan.
» Ich komme gerade von der Polizei zurück«, erzählt sie, als sie sich schließlich mir gegenüber an den Tisch setzt. » Sie haben Bennetts Wagen letzte Nacht nicht weit von hier auf einem Parkplatz gefunden. Die Nachbarn hatten sich beschwert, weil die Alarmanlage losgegangen war.« Sie nimmt einen Schluck von ihrem Tee und sieht mich über den Rand ihrer
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