Zwischen uns die Zeit (German Edition)
Glöckchen über der Tür, die meine Ankunft verkünden, klingt auch Dads Stimme viel zu fröhlich für meine momentane Verfassung. » Hast du etwas dagegen, wenn ich gleich gehe?«
Ich? Im Gegenteil! Dann kann ich mir wenigstens ungestört die Haare raufen und über einen mysteriösen Jungen namens Bennett Cooper und sein noch mysteriöseres Verhalten nachgrübeln. Aber das sage ich natürlich nicht laut, sondern antworte so unbeschwert wie möglich: » Natürlich nicht, Dad. Deswegen bin ich doch da.«
» Danke. Deine Mutter hat schon zwei Mal angerufen und gefragt, wann ich endlich nach Hause komme, weil wir gleich losfahren müssen.« Er schüttelt lächelnd den Kopf. » Ich fürchte, sie verspricht sich ein bisschen viel von dem Abend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Benefizveranstaltung im Chicago History Museum so eine rauschende Party wird.«
Ich stelle mich vor ihn hin und rücke seinen Krawattenknoten zurecht. Er sieht sehr schick aus in seinem dunklen Anzug.
» Wir werden wohl gegen Mitternacht wieder zurück sein, aber wer weiß, vielleicht irre ich mich ja und wir amüsieren uns doch prächtig. Also warte lieber nicht auf uns.«
» Macht euch einen schönen Abend.« Ich drehe ihn an den Schultern zur Tür.
Er geht ein paar Schritte, dann bleibt er stehen und blickt sich noch einmal um. » Danke, dass du deinen kostbaren Freitagabend für uns opferst, Annie. Ich hoffe, du hattest nicht irgendein heißes Date geplant, das du jetzt absagen musstest.«
» Leider nein, Dad.«
Sobald er weg ist, gehe ich im Laden hin und her, räume ein bisschen auf und sehe dabei die ganze Zeit Bennetts blasses, erschöpftes Gesicht vor mir. Hätte ich vielleicht doch darauf bestehen sollen zu bleiben oder seine Großmutter bitten sollen, nach ihm zu sehen? Am liebsten würde ich Emma anrufen, ihr alles erzählen und mir bei ihr Rat holen. Aber dann schleife ich doch nur den Jeans-Sitzsack aus der Kinderbuchabteilung zum Regal mit den Reiseführern und vertiefe mich in die Ausgabe des Lonely Planets über Moskau.
***
Ein paar Stunden später hocke ich gerade hinten im Büro vor dem Tresor, um den Tagesumsatz hineinzulegen, als ich die Türglöckchen höre. Auf die Fersen gestützt lehne ich mich zurück und blicke durch die geöffnete Tür zur Theke, wo ein Mann mit Wollmütze und schwarzem Mantel steht.
» Wir haben eigentlich schon zu«, rufe ich, verstaue die Mappe im Tresor, verschließe ihn wieder und gehe in den Verkaufsraum. » Tut mir leid, aber wir…«
Der Mann dreht sich zu mir um und lächelt.
» Bennett!« Mehr bringe ich vor lauter Überraschung nicht heraus. Er sieht zwar immer noch müde aus, macht aber schon einen viel besseren Eindruck als noch vor ein paar Stunden. Die dunklen Schatten unter den Augen sind verschwunden und der marineblaue Wollpulli, den er zu einer brauen Cordhose trägt, lässt das Blau seiner Augen noch intensiver leuchten.
» Hallo, Anna.«
» Hey, dir scheint es wieder gut zu gehen!« Ich bin so erleichtert, dass ich ihn am liebsten umarmen würde.
» Ja, alles wieder okay.« Er sieht sich neugierig um. » Hier arbeitest du also…«
Ich nicke.
» Schöne Buchhandlung«, sagt er anerkennend. » Ich bin froh, dass du hier bist. Ich hatte schon befürchtet, dass du an einem Freitagabend gar nicht arbeitest.«
» Tu ich normalerweise auch nicht. Aber meine Eltern sind auf einer Veranstaltung in der Stadt und da bin ich eingesprungen.«
» Hör zu, ich wollte mich für meine Unhöflichkeit von vorhin entschuldigen. Ich habe dich quasi rausgeschmissen.«
» Stimmt, aber ich weiß ja, dass es dir schlecht ging.«
» Das ist keine Entschuldigung. Da machst du dir die Mühe, nach mir zu schauen, und ich benehme mich wie ein ungehobelter Volltrottel. Es tut mir wirklich unglaublich leid, Anna. Das war nämlich eigentlich total süß von dir.« Er wirkt aufrichtig zerknirscht.
» Ich hätte nicht einfach so vorbeikommen dürfen. Ein Anruf hätte auch genügt.«
» Und ich hätte am Sonntag nicht einfach aus dem Park weggehen dürfen, aber ich war irgendwie total neben mir. Ich konnte mich noch nicht einmal mehr daran erinnern, dass du überhaupt da warst, bis du es mir vorhin gesagt hast.« Er sieht mich forschend an, als würde er sich fragen, wie viel er mir erzählen kann. » Jedenfalls bin ich dir sehr dankbar dafür, dass du mir geholfen hast. Es tut mir leid, dass ich das nicht vorhin schon gesagt habe.«
» Gern geschehen.«
Er lächelt unsicher. » Kann
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