Zwischen uns die Zeit (German Edition)
nicht meine Großmutter, so wie sie jetzt ist. Ich dürfte nicht auf die Westlake Academy gehen, tagtäglich meine Hausaufgaben machen oder mit dir im Coffeehouse Lattes trinken.« Er greift nach meinen Händen, wie er es getan hat, als wir nach Thailand gereist sind, und diesmal lasse ich ihn gewähren, aber wir verschwinden nicht und tauchen an einem wunderschönen fernen Ort wieder auf, wir rücken nur ein Stückchen näher aneinander heran. » Ich bleibe normalerweise nicht, Anna. Ich komme irgendwohin. Ich sehe mir alles an. Ich gehe wieder. Aber ich bleibe nicht. Nie.«
Während ich noch über seine Worte nachdenke und mich frage, was ich darauf erwidern soll, nimmt er plötzlich mein Gesicht in beide Hände und küsst mich. Küsst mich so leidenschaftlich, als wollte er hierbleiben und nie wieder weggehen, als könnte dieser Kuss alles auslöschen, was er gerade gesagt hat, sodass nichts mehr davon wahr wäre. Und obwohl ich weiß, dass es wahr ist und dass ich mir eigentlich verbieten müsste, so für jemanden zu empfinden, der nicht hierhergehört– der, wenn er geht, unendlich viel weiter weg ist als ein paar Flugstunden–, schlinge ich die Arme um ihn und erwidere seinen Kuss mit derselben Intensität. Denn jetzt in diesem einen Moment ist er hier und ich habe nur einen Wunsch: dass dieser Kuss niemals endet.
Aber dann reißt sich Bennett auf einmal von mir los und sieht mich verzweifelt an. » Oh Gott, bitte entschuldige, Anna.«
» Was? Dass du mich geküsst hast? Mir tut es nicht leid«, sage ich, immer noch nach Atem ringend.
» Wir dürfen das nicht«, sagt er und schüttelt heftig den Kopf. » Verstehst du denn nicht? Es ist sowieso schon schwierig genug, und… verdammt… dadurch habe ich alles nur noch komplizierter gemacht.« Er steht auf und fährt sich mit beiden Händen durchs Gesicht. » Es ist besser, wenn ich jetzt gehe. Ich… Es tut mir wahnsinnig leid.«
» Bennett, es ist okay für mich. Bitte geh nicht…« Ich versuche zu lächeln und strecke die Hand nach ihm aus, aber da hat er sich schon umgedreht, stürmt zur Tür hinaus und lässt mich allein…
Allein mit dem brennenden Gefühl, das seine Lippen auf meinen hinterlassen haben, und den Worten, die er gesagt hat, bevor er mich küsste. » Ich bleibe nicht. Nie.«
16
» Hey, Anna! Warte!« Courtney Breslin schlägt ihr Schließfach zu und läuft mir hinterher. » Hast du deine Reiseroute schon fertig?«, fragt sie, als sie zu mir aufgeholt hat.
» Nein, ich arbeite noch dran.« Wir schieben uns an einer Gruppe lärmender Schüler aus der Unterstufe vorbei, die sich um ein Schließfach scharen. » Und wie läuft’s bei dir?«
» Ganz gut eigentlich. Außer dass ich bis jetzt nur Badeorte eingeplant habe und überlege, ob ich vielleicht noch einen kleinen Zwischenstopp bei einem von diesen Majatempeln einlegen soll. Was meinst du? So ein bisschen Kultur würde bei Argotta doch sicher gut ankommen, oder?« Sie sieht mich erwartungsvoll an, also nicke ich. » Wobei die Strände echt traumhaft aussehen. Wenn es mein Urlaub wäre, würde ich ehrlich gesagt die ganze Zeit nur am Strand liegen wollen.«
» Dann mach doch einen reinen Erholungsurlaub daraus.«
» Wie ist das mir dir? Hast du auch Badeorte auf deiner Route?«
» Ein paar.« Ich bin noch nicht viel weiter gekommen als bis zu der lächerlichen zweispaltigen Liste, die ich letzten Dienstag im Laden begonnen habe. Allerdings kann ich zu meiner Entschuldigung anführen, dass ich mich auf nichts anderes konzentrieren kann, weil ich ständig an einen gewissen Zeitreisenden denken muss, der sich an jedem Ort, den er besucht, immer nur ein bisschen umsieht, aber niemals bleibt. Einen unglaublich süßen und charmanten Jungen mit zerzausten dunklen Haaren, meerblauen Augen, dem Körper eines griechischen Sagenhelden und Händen, die mich in Lichtgeschwindigkeit an jeden beliebigen Ort der Welt bringen können. Einen Jungen, der eigentlich gar nicht hier im Jahr 1995 sein dürfte und der dennoch gestern Abend mit mir in der Buchhandlung auf dem Boden saß, als gäbe es keinen Ort auf der Welt, an dem er lieber sein wollte, und der mich geküsst hat, als gäbe es kein Mädchen auf der Welt, das er lieber küssen würde. Einen Jungen, der ein unfassbares Geheimnis mit sich herumträgt, das er mir noch immer nicht ganz anvertraut hat.
» Und außer den Badeorten? Was hast du sonst für Ziele eingeplant?«, fragt Courtney so unschuldig, als wären wir nicht Konkurrentinnen
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