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Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Zwischen uns die Zeit (German Edition)

Titel: Zwischen uns die Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara Ireland Stone
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Kletterfieber gepackt, kann ich plötzlich gar nicht mehr genug davon bekommen, und mit jedem Aufstieg klappt es ein bisschen besser. Als ich mich jedoch jetzt über die Kante auf das Felsplateau ziehen will, zittern meine Arme von der ungewohnten Anstrengung so sehr, dass ich es erst im zweiten Anlauf schaffe. Erschöpft bleibe ich einen Moment sitzen, um mich auszuruhen, dann nehme ich mir zum ersten Mal die Zeit, mich aufrecht hinzustellen und über die sich kilometerweit erstreckenden grünen Baumwipfel zu blicken, in deren Mitte ein strahlend blauer See liegt. Der Anblick ist einfach unglaublich.
    Fast genauso unglaublich wie die Tatsache, dass ich meine Höhenangst offensichtlich überwunden habe, denn als Bennett mir eine Minute später zuruft, ich solle oben bleiben, er würde zu mir hochkommen, habe ich kein Problem damit, zu ihm runterzuschauen und zu beobachten, wie er sich die beiden Rucksäcke über die Schultern schwingt und in ungefähr der Hälfte der Zeit, die ich gebraucht habe, im Freistil den Fels hinaufklettert.
    » Hungrig?«, fragt er, als er oben angekommen ist, stellt die Rucksäcke ab und packt einen Viererpack Gatorade und zwei eingeschweißte Sandwiches aus. » Ich wusste nicht, was dir schmeckt, also habe ich zwei verschiedene genommen. Welches willst du– Putenbrust mit Schweizer Käse oder Roast Beef mit Cheddar?«
    » Erst mal brauche ich was zu trinken, ich bin am Verdursten«, antworte ich und greife nach einer der Flaschen. Bennett nimmt sich ebenfalls eine und trinkt sie fast in einem Zug aus. Anschließend lehnt er sich mit dem Rücken gegen einen Felsen und schließt die Augen.
    Es ist Mittag, die Sonne steht hoch und hier oben ist es geradezu sommerlich warm. Der perfekte Tag zum Klettern. Ich setze mich neben Bennett und entscheide mich für das Sandwich mit Pute und Schweizer Käse, während er nach dem anderen greift. Erst als ich hineinbeiße, merke ich, wie ausgehungert ich bin. Gemessen an dem Tempo, in dem Bennett sein Sandwich hinunterschlingt, geht es ihm genauso.
    » Du hast dir also gedacht, dass du auf unserem ersten Date mit mir klettern gehst, ja?«, sage ich, nachdem wir eine Weile zufrieden geschwiegen und unsere Brote gekaut haben.
    » Gute Idee?«
    » Unerwartet.«
    » Enttäuscht?«
    Ich schüttele den Kopf. » Kein bisschen.« Die Fahrt nach Wisconsin hat den Radius meiner hauptsächlich im mittleren Westen steckenden Nadeln zwar nicht sehr erweitert, denke ich, während ich den Blick über das Meer aus Bäumen um uns herum schweifen lasse, aber hierher kann ich im Gegensatz zu Ko Tao jederzeit zurückkehren und mich an den Tag mit Bennett erinnern, wenn er nicht mehr da ist und ich Sehnsucht nach ihm habe– was ich ganz bestimmt haben werde, das weiß ich jetzt schon. Ich habe gestern noch lange wach gelegen und darüber nachgedacht, was ich empfinde, jetzt wo ich sein ganzes Geheimnis kenne. Er stammt aus einer Zukunft, die erst in siebzehn Jahren meine Gegenwart sein wird, und kann allein durch die Kraft seiner Gedanken an jeden Ort der Welt reisen. Sobald seine Schwester wieder auftaucht, muss er ins Jahr 2012 zurückkehren. Ich habe das Gefühl, dass all das auch für mich wichtige Entscheidungen zur Folge haben wird, weiß allerdings nicht, wie sie aussehen werden. Aber noch ist er hier und will anscheinend mit mir zusammen sein, und das ist im Moment alles, was ich wissen muss.
    » Komm, ich massiere dich ein bisschen«, reißt Bennett mich aus meinen Gedanken und klopft vor sich auf den Fels. » Dir tun doch bestimmt die Schultern weh.«
    Lächelnd rutsche ich zu ihm rüber, setze mich mit dem Rücken zu ihm zwischen seine Beine, stütze die Ellbogen auf seine Knie und lasse den Kopf nach vorn sinken. Als er beginnt, meine verspannten Schultern zu kneten, seufze ich wohlig und schließe die Augen.
    » Wann hast du angefangen, dich fürs Klettern zu interessieren?« Ich habe ungefähr eine Million Fragen an ihn, die mir viel dringender auf den Nägeln brennen als diese, entscheide mich jedoch dafür, mit den harmlosen anzufangen.
    Er lässt seine Daumen kreisend entlang meines Rückgrats nach unten wandern, und ich spüre, wie sich meine Muskeln unter dem Druck seiner Finger allmählich entspannen. » Es gibt da so eine kleine Stadt an der Südküste Thailands, die Krabi heißt und ein bekanntes Reiseziel für Kletterer aus aller Welt ist.« Ich sehe zwar sein Gesicht nicht, höre aber das Lächeln in seiner Stimme. » Ich hatte keine Ahnung davon,

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