Zwischen uns die Zeit (German Edition)
bis ich ein paar Backpacker kennengelernt habe, die von den berühmten Kalksteinfelsen dort geschwärmt und mich zum Klettern mitgenommen haben. Seither bin ich süchtig.«
Seine Hände bewegen sich in gleichmäßigem Rhythmus meinen Rücken hinauf, bis er wieder bei den Schulter angelangt ist. Plötzlich spüre ich, wie er sich eine meiner Locken um den Finger wickelt und ganz sanft daran zieht, bevor er wieder loslässt. » Wow. Wie machen deine Haare das nur?«
» Was? Aussehen wie eine aufgeplatzte Sprungfedermatratze?«
» Das will ich schon machen, seit ich vor einem Monat das erste Mal in Spanisch hinter dir saß.« Er zieht noch einmal an einer der Locken und lacht leise, als sie zurückspringt. » Und du? Wann hast du mit dem Laufen angefangen?«
Ich drehe mich leicht, um ihn anzusehen, und schüttle energisch den Kopf. » Ich bin dran!«
» Womit?«
» Mit Fragen stellen. Schon vergessen, was du mir gestern gesagt hast? Ich darf dir so viele Fragen stellen, wie ich will.« Ich kuschle mich an ihn und lehne den Kopf an seine Schulter. » Außerdem bist du viel interessanter als ich.«
» Das stimmt nicht«, murmelt er und streicht mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. » Ich möchte mindestens genau so viel über dich wissen wie du über mich.«
» Also gut«, willige ich ein. » Dann wechseln wir uns ab. Aber ich wette zehn Dollar mit dir, dass dir die Fragen zuerst ausgehen.« Ich hebe die Hand und er schüttelt sie.
» Abgemacht.«
» Und ich darf anfangen.« Ich lege den Kopf in den Nacken und lächle zu ihm auf. » Was vermisst du am meisten an zu Hause?«
Seine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen. » Mein Handy.«
» Ha-ha. Meine Frage war ernst gemeint.«
» Meine Antwort auch. Was hast du denn erwartet?«
» Keine Ahnung… wahrscheinlich dass du sagst, deine Eltern.«
» Wenn du die Handys des einundzwanzigsten Jahrhunderts kennen würdest, wüsstest du, was ich meine.«
» Ich finde Handys nicht so wichtig. Die Dinger sind total teuer und ich könnte mir sowieso keins leisten, aber ich verstehe auch nicht, wozu man ständig ein Telefon mit sich herumschleppen soll.«
» Glaub mir, wenn es so weit ist, wirst du deine Meinung mit Sicherheit ändern. Man kann mit den Dingern nämlich viel mehr machen, als bloß zu telefonieren. Mehr kann ich dir dazu leider nicht verraten.«
» So macht das keinen Spaß«, beschwere ich mich lachend. » Ich meine, wann hat man schon mal die Gelegenheit, jemanden über die Zukunft auszufragen?«
» Ich hoffe, dass es auch noch andere Gründe gibt, warum du mit mir zusammen sein willst«, flüstert er und lässt seine Finger sanft von meiner Schläfe bis zu meinem Schlüsselbein hinunterwandern. » Und wenn ich dir jetzt schon alles verraten würde, gäbe es nichts mehr, was dich an der Zukunft noch überraschen würde, und du stehst doch auf Überraschungen, oder?«
» Besser wäre es jedenfalls. Du bist nämlich die reinste Wundertüte.« Die Härchen in meinem Nacken stellen sich auf, als er zärtlich mit der Fingerkuppe die Rundung meiner Schulter nachzeichnet, sodass ich einen Moment brauche, bis ich mich wieder auf meine Fragen konzentrieren kann. » Willst du damit sagen, dass ich nie sehen werde, wie du wirklich lebst?«
» Biiiiiep!« Er macht das Geräusch eines Buzzers aus einer Gameshow nach. » Du hast deine Frage gerade gestellt, jetzt bin erst mal ich dran.«
» Aber…«
» Hey, du hast gesagt, wir fragen uns immer abwechselnd, das war nicht meine Idee.«
» Schon gut, schon gut«, seufze ich. » Schieß los.«
» Wo warst du, als du von Kurt Cobains Selbstmord gehört hast?«
» Interessante Frage«, sage ich, muss aber nicht lange überlegen, weil ich mich noch deutlich an den Tag erinnere. » Das war ziemlich genau vor einem Jahr. Ich war nach der Schule bei Emma und wir saßen beide bei ihr im Zimmer und haben MTV geschaut, als das Programm plötzlich mit der Meldung unterbrochen wurde, Kurt Cobain hätte sich erschossen.« Ich halte einen Moment lang inne und blicke gedankenverloren zum Himmel auf.
» Erzähl weiter«, sagt Bennett gespannt und legt seine Hand auf meine.
» Wir standen erst mal alle irgendwie unter Schock. Viele haben sogar geweint… und Emma und ich haben tagelang nichts anderes mehr als Nirvana gehört. Und du? Wo warst du?«
Ich spüre, wie er mit den Schultern zuckt. » Das war 1994.«
Im ersten Moment verstehe ich nicht, was er damit meint, bis mir plötzlich bewusst wird, dass ich
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