Zwischen uns die Zeit (German Edition)
der auf der Rückbank sitzt, sind eher still. Als Dad nach Evanston abbiegt, beugt sich Bennett vor. » Können Sie mich bitte bei mir zu Hause absetzen, Mr Greene?«
Seit ich ihm von meiner Unterhaltung mit dem anderen Bennett erzählt habe, ist er in sich gekehrt und schweigsam. Wenn ich versuche, mit ihm zu reden, ihn frage, ob er eine Erklärung dafür hat, wie Brooke es geschafft hat, wieder nach Hause zurückzukehren, reagiert er einsilbig, sagt, er brauche Zeit, um nachzudenken. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht. Heute Abend sind wir eigentlich mit Emma und Justin fürs Kino verabredet, aber ich habe keine Ahnung, ob er überhaupt mitkommen wird.
» Ich hole dich um sieben ab, okay«, sagt er, als mein Vater ihn bei sich zu Hause absetzt, und ringt sich ein Lächeln ab.
Also kommt er mit. Wenigstens das weiß ich jetzt.
***
In der Sekunde, in der wir das Haus betreten, klingelt das Telefon. Ich komme kaum dazu, Hallo zu sagen, als Emma mich auch schon aufgeregt unterbricht. » Wir fahren nach Chicago und kaufen uns was Tolles zum Anziehen für den Ball. Keine Widerrede, Darling. Ich hole dich in einer halben Stunde ab.«
Ich habe immer noch meine Wettkampfklamotten mit der Startnummer auf der Brust an. » Heute nicht, Em. Ich bin gerade eben erst vom Lauf zurückgekommen und fix und fertig.« Abgesehen davon, dass ich wirklich nicht in der Stimmung bin, mir ein Ballkleid zu kaufen, habe ich seit Emmas Unfall immer ein extrem ungutes Gefühl, wenn sie vorschlägt, nach Chicago zu fahren, aber das sage ich ihr natürlich nicht. » Bitte, Emma. Mir tut alles weh. Ich will einfach nur unter die Dusche und mich danach ein bisschen hinlegen.«
» Anna Greene«, sagt Emma betont streng. » Ich weiß nicht, ob es deiner Aufmerksamkeit entgangen ist– aber der Schulball findet schon nächstes Wochenende statt. Und als deine beste Freundin ist es ja wohl meine Pflicht, sicherzustellen, dass du nicht als Fashion-No-Go dort auftauchst. Also: Was wirst du anziehen?«
» Keine Ahnung. Ich dachte, ich leihe mir irgendwas von dir wie jedes Jahr.«
Emma stöhnt. » Wahrscheinlich bist du das einzigeMädchen auf diesem Planten, das ohne Shopping-Gen auf die Welt gekommen ist. Aber dann hilf mirdoch wenigstens, ein Kleid für mich auszusuchen.«
» Ich habe wirklich keine…«
» Bitte, Darling!«, fleht sie ins Telefon. » Ich brauche dein kritisches Auge!«
Das braucht sie zwar ganz bestimmt nicht, aber… ich werfe einen Blick auf die Uhr und seufze.
» Du bist die Beste!«, sagt sie, bevor ich überhaupt geantwortet habe. » Das vergesse ich dir nie. Ich hole dich in einer Dreiviertelstunde ab!«
» Fährst du mit Emma in die Stadt?«
Überrascht drehe ich mich um. Ich habe gar nicht bemerkt, dass Dad immer noch im Flur steht.
» Sieht so aus, als würde mir gar nichts anderes übrig bleiben.«
Er zieht sein Portemonnaie aus der Tasche, nimmt seine Kreditkarte heraus und reicht sie mir lächelnd. » Hier, Schatz. Damit du dir kein Kleid leihen musst.«
***
Auf der Fahrt nach Chicago plappert Emma ohne Punkt und Komma und ist so gut gelaunt, dass sie gar nicht mitbekommt, wie ich still neben ihr sitze und den Türgriff so fest umklammere, dass meine Fingerknöchel sich weiß verfärben. Aber es ist ein sonniger Nachmittag, und sobald wir die Michigan Avenue entlangschlendern, wo sich ein Klamottenladen neben den anderen reiht, beginne ich allmählich, selbst Spaß an unserer Shoppingtour zu haben. Emma entdeckt relativ schnell ein traumhaftes blutorangenrotes Chiffonkleid, das ihren exotischen Teint perfekt zur Geltung bringt und sie wie einen Hollywoodstar aussehen lässt. Ich entscheide mich für ein schlichtes Cocktailkleid aus schwarzer Seide, das viel mehr nach mir aussieht als alles, was ich mir jemals von Emma geliehen habe. Während ich mich im Laden vor dem großen dreiteiligen Spiegel drehe, stelle ich mir vor, wie Bennett mich durch den Ballsaal an meinen Mitschülern, den Lehrern und Eltern vorbei auf die Tanzfläche führt. Und was – schießt es mir plötzlich durch den Kopf –, wenn er nächsten Samstag gar nicht mehr hier ist? Entschlossen schiebe ich den Gedanken ganz weit weg. Ich weiß ja, dass er irgendwann nach San Francisco zurückkehren muss, aber er wird wiederkommen und seinen Abschluss an der Westlake machen. Ich möchte so gern, dass das wahr wird, was Bennett mich vor zwei Wochen in Vernazza gefragt hat: Wie wäre es, wenn ich bleiben würde?, und kann doch gleichzeitig
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