Zwischen uns die Zeit (German Edition)
Leben zurückkehren kann.«
Ich sehe ihn mit großen Augen an. » Wie meinst du das?«
» Ich meine, dass ich mich in dich verliebt habe und dass ich mich frage… Was würdest du davon halten, wenn ich einfach bleiben würde?«
Obwohl ich mir vor ein paar Minuten noch gewünscht habe, genau das, was er jetzt gesagt hat, auf Papier zu lesen, bin ich nicht darauf vorbereitet, es laut ausgesprochen zu hören. Er ist in mich verliebt. Er will bei mir bleiben. Mir wird schwindelig von der Hoffnung, die plötzlich in mir aufsteigt und meinen Herzschlag beschleunigt. » Wäre das von dir aus okay?«, fragt er.
» Was von beidem?«
Er lächelt. » Na ja… beides schätze ich.«
Ich sitze wie betäubt da, nicke und weiß nicht, wie ich ausdrücken soll, dass es mir ganz genau so geht. Statt ihm zu sagen, was ich empfinde, frage ich: » Wie lange wirst du bleiben?«
» Bis zum Schulabschluss?«
Ich denke noch einmal über das nach, was er an dem Abend in der Buchhandlung, an dem er mich zum ersten Mal geküsst hat, gesagt hat. Ich bleibe niemals. » Aber… Ich dachte, du kannst nicht bleiben.«
Er zuckt mit den Achseln. » Ich habe geglaubt, dass ich es nicht kann, aber… na ja… jetzt bin ich schon ziemlich lange hier.«
» Was ist mit Brooke?«
» Wenn sie zurückkommt und ich keine Ausrede mehr habe, meinen Aufenthalt hier zu verlängern, werde ich meinen Eltern sagen, das ich gern bei Maggie bleiben würde, um mich um sie zu kümmern. Ich werde ihnen auch von dir erzählen…«
» Und du glaubst, dass sie dir das einfach so erlauben werden?«
Er schüttelt den Kopf, antwortet aber grinsend: » Ihnen wird nichts anderes übrig bleiben.«
Ich lächle, während in meinem Kopf wie in einer Dauerschleife das Echo der zwei Sätze widerhallt, die er eben zu mir gesagt hat. Ich habe mich total in dich verliebt. Was würdest du davon halten, wenn ich einfach bleiben würde? Er will bei mir bleiben! » Da stehen dir dann aber verdammt viele Familienabendessen mit meinen Eltern bevor«, gebe ich zu bedenken. » Bist du sicher, dass du damit klarkommen wirst?«
» Und dir stehen verdammt viele Reisen mit mir bevor«, gibt er lächelnd zurück. » Bist du sicher, dass du damit klarkommen wirst?« Er beugt sich über die Tischplatte zu mir vor, schiebt die Cappuccinotassen zur Seite und nimmt mein Gesicht in beide Hände. Während ich mich seinem Kuss hingebe, spüre ich die leise Hoffnung einer möglichen gemeinsamen Zukunft in mir aufkeimen, doch viel stärker noch ist die in jeder Nervenfaser prickelnde Intensität der Gegenwart, die wir hier und jetzt zusammen erleben.
***
Wir verbringen den Rest des Tages in Cinque Terre. Und auch die Nacht.
28
Ich stecke eine rote Nadel in den winzigen Punkt, der die kleine Stadt Vernazza markiert, trete einen Schritt zurück und freue mich darüber, dass die riesige freie Fläche, die auf meiner Karte zwischen dem Mittleren Westen der USA und Südostasien klafft, etwas gefüllter aussieht.
Bennetts wundersame Fähigkeit hat es mir ermöglicht, nach Evanston zurückzukehren, ohne dass meine Eltern auch nur den Hauch einer Ahnung haben, dass ich einen ganzen Tag und eine ganze Nacht lang nicht zu Hause gewesen bin. Natürlich weiß ich nicht, was während meiner Abwesenheit genau passiert ist, aber ich kann es mir ungefähr vorstellen: Nachdem ich nicht mehr in den Unterricht zurückgekehrt und auch nicht zu meiner Schicht in der Buchhandlung erschienen bin, müssen sich meine Eltern wahnsinnige Sorgen gemacht haben. Als ich auch zum Abendessen nicht nach Hause kam, haben sie höchstwahrscheinlich die Polizei alarmiert. Vielleicht sind unsere Nachbarn mit Taschenlampen die dunklen Straßen abgegangen und haben kopierte Zettel mit meinem Foto an Telefonmasten getackert. Aber als ich zweiundzwanzig Stunden später mit Bennett wieder in der Schule vor seinem Schließfach stand– genau an der Stelle, an der wir uns eine kurze Auszeit von unserem Streit genommen hatten, um uns an den Händen zu fassen, die Augen zu schließen und nach Italien zu reisen–, war weniger als eine Minute vergangen und niemand machte sich Sorgen um mich, weil mich niemand vermisst hatte.
Obwohl ich weiß, wie traumatisch der ausgelöschte Tag für die Menschen, die ich liebe, gewesen sein muss, würde ich mich jederzeit entscheiden, es wieder zu tun. Die zweiundzwanzig Stunden, die ich mit Bennett in Italien verbracht habe, waren einfach zu schön, als dass ich sie bereuen könnte.
Nachdem wir
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