Zwischen uns (German Edition)
ihm zum Weihnachtsball zu gehen.
Nur mit ihm.
Chase würde mit Becka Miller dorthin gehen. Sie war im Basketball-Team der Mädchen, gut fünfzehn Zentimeter größer als ich und trug ihr glattes braunes Haar in einem praktischen Kurzhaarschnitt, der bei Weitem nicht so süß war wie eine Pixie-Frisur. Ich hatte nie mehr als ein paar Sätze mit ihr geredet und, ganz ehrlich, dabei sollte es auch bleiben, wenn es nach mir ging. Becka Miller war eine Sportskanone, die mich mit einem Schlag problemlos niederstrecken konnte, wenn sie das wollte - und da ihr Temperament so schrecklich war wie ihre Frisur, würde ich ihr keinen Anlass geben, so etwas tun zu wollen.
Also, wirklich, der Weihnachtsball? Ich hätte nicht gewusst, wozu ich weniger Lust hatte, als mir ein halbformelles Kleid anzuziehen und eine vertrocknete Blume zu kaufen, die ich in das Knopfloch seines Jacketts stecken sollte, dann zu einem Abendessen im IHOP zu gehen und zu hundertprozentig schlechter Musik zu tanzen, während all die verliebten Pärchen um uns herumwirbelten.
Jedenfalls nicht mit Chance Murphy.
Zu meiner Überraschung - denn er war nicht die Art Mann, von dem ich erwartet hätte, dass er sich Gedanken um so einen blöden Scheiß macht - sagte Vic, ich solle hingehen. Er stand gerade am Herd und braute irgendwelches Fertigzeug zusammen, das es zusammen mit den Schweinekoteletts zum Abendessen geben sollte. Ich hatte welche von diesen Instant-Keksen aus der Tube gebacken, und Cap war irgendwo und machte Cap-Sachen wie Gewichte heben oder vielleicht die Stringtheorie zu dekonstruieren oder was zum Teufel auch immer. Wir waren eine kleine, unkonventionelle Familie, aber trotz allem rechnete ich nicht damit, dass Vic mir einen väterlichen Rat gab.
„Vielleicht hast du sogar Spaß dabei“, sagte er.
„Das Gleiche hat Chance auch gesagt.“ Ich stellte die Butter auf den Tisch, holte Teller und Besteck.
Vic drehte sich zu mir um, während er den Brei mit einem Holzlöffel umrührte, der vermutlich eine ganze Armee von Bakterien beherbergte. „Und du glaubst ihm nicht?“
Ich hatte Vic natürlich nicht erzählt, was wirklich während der Nachhilfestunden abging, und wie oft hatte ich gesagt, dass ich sie unterrichtete, und dabei nicht mal ein Buch aufgeschlagen. Deshalb achtete ich jetzt darauf, ihn nicht anzusehen, während ich den Tisch fertig deckte. „Weiß nicht.“
„Tesla“, begann Vic, hielt dann aber inne.
Ich sah ihn immer noch nicht an. Ich tat so, als wüsste ich nicht, dass er mich anstarrte, während ich im Kühlschrank nach Salat und was zu Trinken suchte. Aber als ich schließlich den Kühlschrank wieder schließen und mich umdrehen musste, war sein Blick noch immer auf mich geheftet.
„Es könnte dir gut tun“, sagte Vic.
Als Antwort verzog ich das Gesicht. „Was? Der Weihnachtsball? Du willst mich verarschen, oder?
„Mit einem Jungen auszugehen, Spaß zu haben. Was … Normales zu machen.“
Die Flasche mit dem Joghurtdressing schepperte auf dem Tisch, als ich sie abrupt absetzte und ihm schließlich ins Gesicht sah. „Ich bin nicht normal, Vic. Cap und ich sind nicht n-o-r-m-a-l. Du bist nicht normal.“ Ich machte eine ausschweifende Bewegung. „Nichts von dem hier ist normal. Und du bist echt der Einzige, der anscheinend ein Problem damit hat.“
Sein Gesicht verhärtete sich bei meinen Worten, und während Vics Gesichtsausdruck normalerweise etwas Unschuldiges hatte, sah er jetzt erschreckend wütend aus. Er stellte den Topf mit dem Essen so heftig auf dem Tisch ab, dass die Teller einen Satz machten. Und ich auch.
„Ist das wirklich so bescheuert, sich das zu wünschen? Dass du und Cap ein normales Leben habt, nachdem …“
„Mir ist doch nichts Schlimmes passiert“, schrie ich.
Vic war mit einem Satz bei mir und packte meinen Oberarm so hart, dass ein blauer Fleck zurückbleiben würde. „Nein, aber das hätte es!“
Er tat mir weh, aber ich würde ihm nicht den Gefallen tun und ihm das zeigen, damit er sich später deshalb schuldig fühlen konnte. Der Tisch hinter mir versperrte mir den Fluchtweg, weswegen ich stehenbleiben und warten musste, bis er von sich aus bemerkte, was er tat.
Mit einem unterdrückten Fluch ließ Vic schließlich meinen Arm los. Er wich zurück. Fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Dann stemmte er die Hände in die Hüften, ließ den Kopf hängen und die Schultern hinabsinken. Ein großes und schmerzhaftes Schweigen füllte den Raum. Ich hatte nicht geweint,
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