Zwischen uns (German Edition)
du gerade gesagt?“
Er zuckte die Schultern. Anscheinend hatte er Mumm genug, um ihr eine beleidigende Bemerkung vor die Füße zu werfen, aber nicht, um sich direkt mit ihr anzulegen. Joy runzelte die Stirn und wandte sich wieder mir zu. Ich wollte ebenfalls keinen Streit.
„Ich hab doch schon gesagt, dass es mir leidtut, Joy. Ich hatte dich nur geneckt.“
„Nun“, sagte sie steif, „lass das bitte in Zukunft.“
„Okay.“ Ich nickte und trat einen Schritt zurück, um sie an mir vorbei zu lassen.
Als sie wieder in ihr Büro gegangen war, warfen Darek und ich uns einen Blick zu. Er tippte sich an die Stirn, aber ich konnte darüber nicht lachen. Ich dachte nicht, dass Joy verrückt war, sondern nur sehr, sehr unglücklich. Und an einem Tag wie diesem, an dem ich selbst mich so gut fühlte, erschien mir das nicht richtig.
Also ging ich zu ihr nach hinten, wo sie sich in einer ehemaligen Abstellkammer ein kleines, aber feines Büro eingerichtet hatte. Es war noch nicht einmal groß genug für ihren Tisch, den sie deshalb seitlich hineingestellt hatte, und ansonsten passte nur noch ein kleiner Kühlschrank hinein, in dem wir unser Mittagessen und Snacks aufbewahrten. Wenn sie sich an ihren Schreibtisch setzen wollte, musste sie sich in den Stuhl quetschen, der den Raum bis zur Wand einnahm. Niemand saß in Joys Stuhl außer Joy.
„Hey“, sagte ich leise.
Sie sah von irgendwelchem Buchhaltungskram auf, den sie am Computer erledigte. „Was?“
„Ich wollte nur sagen, dass es mir wirklich leidtut, dass ich dich so verärgert habe. Ich finde es toll, dass dir dein Job so wichtig ist. Es ist gut, dass du ihn gerne machst.“
Sie warf mir einen leeren Blick zu, in den sich langsam der Spott mischte.
„Und das glaubst du wirklich?“
„Ich … äh …“
„Wirklich?“ Sie hätte ihren Stuhl nach hinten geschoben, wenn dafür Platz gewesen wäre, aber so legte sie nur ihre Hände an den Rand des Tisches und drückte ihn von sich. „Glaubst du etwa, ich mache diese beschissene Drecksarbeit gerne?“
In all den Jahren, die ich im Mocha arbeitete, hatte ich fast täglich erlebt, wie Joy ihre Fassung verlor. Bis zu diesem Moment aber hatte ich sie noch nie fluchen gehört, abgesehen von einem leichten „verdammt“ oder „Mist“. Ich hätte nicht überraschter sein können, wenn eine Kröte aus ihrem Mund gehüpft wäre.
„Ob du‘s glaubst oder nicht, Tesla“, fuhr sie fort, „das tue ich nicht. Du hast sogar recht. Ich bin die ganze beschissene Zeit über hier, weil ich sonst nichts habe. Ich habe diesen Job. Das ist alles. Denn solange ich hier bin, um zu arbeiten, muss ich mir keine Gedanken über all das machen, das ich gern hätte, aber nie haben werde.“
Wir waren alles andere als Freunde. Wenn jemand mich bitten würde, eine Liste mit den Menschen zu machen, mit denen ich Zeit verbringen möchte, dann wäre Joy nicht auf dieser Liste. Und ehrlich gesagt, wusste ich, dass ich nicht die Einzige war, der es so ging, weshalb es mich nicht sonderlich überraschte, dass es für sie außer der Arbeit nicht viel gab.
„Das tut mir leid“, war alles, was ich sagen konnte.
„Tut es dir nicht. Du hast ja keine Vorstellung. Du kommst jeden Tag hierher mit diesem dicken Grinsen im Gesicht, als ob die Welt dir gerade eine große, in Geschenkpapier eingewickelte Pralinenschachtel überreicht hätte und dazu noch eine Kreditkarte ohne Limit. Und die Leute lieben dich. Sie warten alle in der Schlange, länger als sie eigentlich müssten, damit du sie bedienst. Sie fragen dich, wie‘s dir geht, flirten mit dir.“ Joy versagte die Stimme.
„Ich bin nur nett zu ihnen, das ist alles. Glaub mir, Joy, ich liebe diesen Job auch nicht jeden Tag. An den meisten Tagen mag ich ihn, und an denen, an denen es mir nicht so geht, versuche ich so zu tun, als ob, bis … nun, bis ich ihn wieder mag.“ Ich zuckte die Schultern. „Ich hab da kein Geheimrezept oder so.“
Sie sah finster aus, ihre Wangen und selbst ihr Mund blasser als sonst. Ihre Kehle zitterte, als sie schluckte. „Rede nicht mit mir, als wäre ich bescheuert. Glaubst du etwa, das weiß ich alles nicht?“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Sie schien keinen Trost oder Rat oder wenigstens Mitleid zu wollen. In typischer Joy-Manier schien sie einfach nur Streit zu wollen. „Wenn du es weißt, warum tust du es dann nicht? Die Leute reden deshalb nicht gern mit dir, weil du immer so angespannt bist und rummaulst.“
Ihre Augen
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