Zwischen Vernunft und purem Verlangen

Max’ und Logans Mutter Caroline Carmichael höchstpersönlich.
    Sie war gekommen, um Evie um ein Gespräch zu bitten.
    „Nur eine Stunde, Evangeline. Ich möchte, dass du mich anhörst.“
    „Vielen Dank auch, Max!“, zischte Evie ihm wütend zu. „Wir sind Geschäftspartner. Unsere Privatangelegenheiten haben in der Firma nichts verloren.“
    „Wir haben uns aber immer über unser Privatleben unterhalten, Evie. Manchmal lässt sich das vom Berufsleben gar nicht trennen“, protestierte er.
    Da ist was dran, dachte Evie. Aber Max konnte sie doch nicht einfach so überfallen! Wütend blickte sie zwischen ihm und seiner Mutter hin und her. Caroline wartete geduldig an der Tür.
    „Bist du gekommen, um dich zu rechtfertigen, warum du deinen Sohn nicht beschützt hast?“, fragte Evie ätzend und schämte sich sofort, als Caroline Carmichael sie geradeheraus anschaute und die Frage bejahte.
    „Jeder Mensch macht Fehler, Evangeline. Fehler, die das ganze Leben und alles zerstören, was du liebst“, erklärte Caroline ruhig und besonnen.
    Evie spürte Tränen aufsteigen und schluckte. „Tut mir leid, Caroline, aber ich kann dir nicht helfen, dein Verhältnis zu Logan wieder ins Lot zu bringen.“
    „Das erwarte ich ja gar nicht von dir. Ich möchte nur, dass du meinem Sohn hilfst, den richtigen Weg einzuschlagen. Logan ist ein guter Mensch, und das soll er begreifen. Ich möchte, dass er glücklich ist.“
    Natürlich hatte sie Evie damit am Haken. Max hatte natürlich auch seinen Beitrag dazu geleistet.
    „Also gut.“ Evie gab nach. „Aber höchstens eine Stunde. Keine Minute länger.“
    Caroline nickte bereitwillig.
    Als sie schließlich auf der Terrasse eines nahegelegenen Restaurants an einem Tisch für zwei Personen saßen, fragte Evie: „Warum hast du Max überredet, mir den Ring zu geben?“
    Der Tisch wackelte leicht auf den unregelmäßigen Pflastersteinen, aber das Wasser, das der Ober brachte, war eisgekühlt, und die Bestellungen wurden üblicherweise schnell serviert, was Evie sehr entgegenkam. „Du wusstest, dass Logan den Ring sofort erkennen würde.“
    „Ich muss dir sagen, dass Logan an dem Wochenende kurz davor war, auf Nimmerwiedersehen aus dem Haus zu stürmen“, erklärte Caroline. „Und zwar deinetwegen. Und meinetwegen. Weglaufen ist viel leichter, als zu bleiben und sich einer Situation zu stellen. Logan war schon immer gut im Weglaufen. Er war drauf und dran, seiner Familie endgültig den Rücken zu kehren. Ich hatte also nichts zu verlieren.“
    „Aber was sollte der Ring? Wieso musstest du Logan unbedingt mit der Vergangenheit konfrontieren?“, empörte Evie sich.
    „Weil ich hoffte, Logan würde dadurch endgültig die Geduld mit mir verlieren. Bisher hat er alles ertragen und mit sich selbst ausgemacht. Er ist sehr verschlossen. Seit Jahren versuche ich, alles daranzusetzen, dass er einmal die Selbstbeherrschung verliert. Ihm soll endlich bewusst werden, dass er niemals die Hand gegen einen anderen Menschen erheben würde, ganz egal, wie tief der ihn verletzt hat. Logan ist nicht wie sein Vater.“ Caroline lehnte sich zurück und rieb sich geistesabwesend den Nacken. Als ihr bewusst wurde, was sie tat, verschränkte sie die Hände im Schoß und drückte das Kreuz durch. Nun vermittelte sie wieder den Anschein, als könnte absolut nichts sie aus der Ruhe bringen.
    „Hast du eine Vorstellung, wie viel Mut eine misshandelte Frau aufbringen muss, sich zu wehren, Evangeline? Ich bin der festen Überzeugung, dass mein Sohn ein gutes Herz hat. Logans Furcht, zu sein wie sein Vater, ist völlig unbegründet. Ich weiß, dass er niemals seine Hand im Zorn erheben wird.“
    Evie fuhr sich durchs Haar und nickte wortlos.
    „Bitte entschuldige, dass ich dich benutzt habe, Evie. Auch Max habe ich benutzt. Ihn habe ich bereits um Verzeihung gebeten. Es tut mir wirklich leid, was ich getan habe, aber an dem Wochenende hatte ich das Gefühl, Logan wäre kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Noch ein kleiner Vorfall, und es würde passieren.“
    Muss Liebe wirklich so kompliziert sein? überlegte Evie aufgewühlt. „Aber er hat die Beherrschung nicht verloren“, sagte sie schließlich leise.
    „Nein, jedenfalls hat er die Geduld nicht mit mir verloren“, gab Caroline zu. „Stattdessen hast du den Ring wutentbrannt in die Büsche geschleudert und dadurch Logans Gefühle in höchsten Aufruhr versetzt. Ich betrachte das als Sieg.“
    „Du musst verrückt sein.“
    „So hat man