Zwischen Wind und Wetter
konnte Heinrich Böll den
Ideenreichtum der Iren beurkunden. Werktags war Polizeistunde um zehn Uhr
abends, schon ärgerlich genug, da Seamus oft länger arbeiten mußte. Sonntags
wurde es vollends unangenehm, da durfte Seamus nur bis nachmittags zwei Uhr
oder zwischen sechs und acht Uhr abends durstig sein. Ausnahmen galten, auch
damals schon, für Touristen und Durchreisende.
Die Sonne
schien, der Durst war groß, Durst wird durch Bier erst schön. So holte Seamus
seufzend sein Fahrrad aus dem Schuppen und machte sich auf den Weg in das sechs
Meilen entfernt liegende Nachbardorf, wo er als Reisender sein Bitter Beer
schlürfen durfte. Und weil nicht nur Seamus einen Ausweg im wahrsten Sinne des
Wortes aus seinem Dilemma gefunden hatte, begegnete er auf halber Strecke
seinem Freund Dermot aus dem Nachbardorf, auf dem Weg in Seamus’ Stammkneipe,
um dort sein Bier als Reisender zu trinken.
Heute sind
den ganzen Tag lang die Kneipen voll in Ballybunion; Kirmesstimmung liegt über
dem Ort, Autoscooter fahren in Sälen, deren vordere Fassade weggeklappt wurde,
der Ort wimmelt vor Spielautomaten. Die Automaten sprechen mit Computerstimme,
ihre Augen blinken verlockend, das Geld klimpert: Put in coins! Now!
Wer nicht
drinnen sitzt, sitzt draußen, trotz der mäßigen Temperaturen, auf Bänken und
Mauern, oder wie die Jugend, auf den ausgebreiteten Jacken auf der Erde, das
Dosenbier in der Hand.
Für uns
Reisende ist dies ein Tag wie jeder andere, wir machen uns auf den Weg nach
Süden, zum nächsten Kap, an der Mündung des Feale. Wandern entlang des Flusses,
der bis weit ins Landesinnere bei Ebbe trockenfällt, über nassen Schlick,
Kieselsteine und sumpfige Wiesen. Die Uferbefestigungen bestehen aus
Wellblechen, Schieferplatten und mit Abfall gefüllten Plastiksäcken, die zum
Teil aufgeplatzt sind. Da wird der Fluß im Winter leichtes Spiel haben.
Der
Mündungsbereich des Feale ist ziemlich flach, große Sandbänke sind zu sehen,
das Restwasser hat sich verschiedene Wege gesucht, bildet mäandernd bei Ebbe
ein kleines Flußdelta.
Über den
Fluß hinweg liegen im silbernen Licht der wechselnden Wolkenschichten hellgrüne
Felder, weiße Bauernhäuser mit schwarzen Schieferdächern, neben ihnen rostrote
Wellblechscheunen. Auf den glitzernden, sich kräuselnden Wasserflächen des
Flusses bewegen sich dunkle Schattenrisse von Holzbooten, gerudert von Männern
in hüfthohen Gummistiefeln.
Nachdem uns
zwei Kühe, ein schwarzweißes Pferd, das wie eine Kuh aussieht und ein sehr
neugieriger Esel mit sanftem Druck von ihrer Wiese vertrieben haben, indem sie
sich zu stark für unsere Vesperbrote interessierten, nehmen wir unser Picknick
am Wegesrand sitzend ein, windgeschützt durch einen Brennesselhügel.
Wiesen und
Brennesseln riechen stark und frisch durch den Salzgeruch des Wassers, den der
Wind mitbringt. Gute, schmackhafte Luft am Feale, die unsere Käsebrote und den
kräftigen Rotwein aus dem Langue d’Oc vorzüglich munden läßt. In solchen
Momenten sind wir sehr glücklich.
Wir genießen
unser einfaches Essen und das Gefühl des Eingebettetseins in die Landschaft...
Kein Lärm, keine Abgase, kein Streß. Die Landschaft als Traum. Und wir sind die
Träumer von Träumen...
Hundegebell
schreckt uns auf. In der Nähe legt gerade ein Ruderboot ab, drei Mann steigen
ein, einer bleibt am Ufer im hüfthohen Wasser stehen. Sie fischen mit einem
großen Netz, der Mann am Ufer hat sich das Netzende fest um die Hüften
geschlungen, die anderen rudern langsam zum gegenüberliegenden Ufer. Der
Wasserstand ist gestiegen, die Flut kommt.
Drei Mann in
einem Boot. Das erinnert uns an jenen unnachahmlichen Roman englischen Humors
von Jerome K. Jerome ‘Three men in a boat’. Wir haben ihn dabei. Und ein Hund
gehört im Roman dazu, ein Terrier, der ständig mit seinem Erzfeind, dem
Teekessel, zu kämpfen versucht. Auch hier ist ein Hund dabei, ein quirliger
Mischling, der kurz vor dem Abstoßen des Bootes ins Nackenfell gepackt und wie
ein Beutel mit Werkzeug ins Boot geworfen wird. Er scheint das zu kennen, heult
vor Vergnügen. Zwei Männer rudern, der dritte läßt nach und nach das Netz durch
seine Hände über Bord gleiten. Langsam kehrt das Boot in großem Bogen zu dem
vierten Mann zurück, der immer noch, eine Stunde ist vergangen, im Wasser steht
und das Netz hält.
Einige
Neugierige haben sich eingefunden, auch Frauen mit Geldscheinen in der Hand.
Enger und enger wird das Netz gezogen, wird mühsam über
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