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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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konnten und sich an die Theke klammern mußten.“
    „Arme Schweine“, stellte Ann-Marie nüchtern fest.

Froh, endlich mit jemandem ausführlich über dieses furchtbare Unglück reden zu können, ist Frau Maricek nicht mehr zu bremsen. Ihre Wangen haben sich gerötet, und vor Aufregung vergißt sie sogar auf ihre Tränen.
    „Bestimmt hätte sie die Wohnung nicht ewig behalten, sondern nur solange ihr Mann nichts anderes gefunden hat, nehme ich an. Übrigens ist sie an jenem Sonntag keineswegs traurig gewesen, im Gegenteil, sie hat gestrahlt wie eine junge Braut.“
    Ann-Marie findet diesen Vergleich etwas eigenartig, sagt aber nichts.
    „Sie hat versprochen, mir aus New York zu schreiben, und dem Buben wollte sie ein paar Aufkleber für sein Moped schicken. Nein, sie hat wirklich keinen Grund gehabt, sich umzubringen. Deshalb bin ich auch aus allen Wolken gefallen, als ich erfahren hab, daß es Selbstmord gewesen sein soll. Ich kann das einfach nicht glauben.“
    Sie spricht das Wort „Selbstmord“ beinahe ehrfürchtig aus.
    „Möchten Sie wissen, was ich glaube? – Wahrscheinlich ist sie spät abends noch einmal hinaus auf die Terrasse gegangen, um einen letzten Blick auf ihre geliebte Heimatstadt zu werfen, um Abschied zu nehmen, sozusagen.“
    Frau Maricek scheint sehr gefühlvoll und romantisch veranlagt zu sein.
    „Sie war nicht schwindelfrei und hat das Übergewicht gekriegt. So und nicht anders muß es passiert sein, das steht für mich fest. Ich weiß, daß Frau Anna kein religiöser Mensch war, aber sich aus dem siebten Stock hinunterstürzen, nein, dazu wäre sie niemals fähig gewesen. Irgendwo glaubt doch ein jeder …“
    Anna reagierte sehr aufgebracht.
    „Sicher, manche von ihnen sind auch einsam, aber ihre Einsamkeit interessiert mich nicht. Ich habe nicht die Zeit, und selbst wenn ich sie hätte, würde ich sie heute kaum mehr darauf verwenden, mich mit ihnen abzugeben. Ich verspüre nicht die geringste Lust, mir stundenlang Monologe anzuhören. Mitleid kann ich mir nicht leisten. Sie begreifen einfach nicht, daß eine Frau nicht mehr von ihnen will als eine schöne Nacht. Immer wieder versuchten sie, mich in die Rolle der armen, verlassenen Frau, die sich nach einer dauerhaften Beziehung sehnt, zu drängen. Krampfhaft bemühten sie sich um Distanz, zum Beispiel bestellten sie mitten in der Nacht ein Taxi oder verließen am nächsten Morgen überstürzt das Hotel.“
    „Die Ängste der Männer …“
    „Na und? Was geht mich das an? Habe ich den einen oder anderen später wieder getroffen, was sich kaum vermeiden läßt, da immer dieselben Leute in denselben Lokalen verkehren, so hat er meistens nur ein knappes, arrogantes Nicken für mich übrig gehabt. Ich habe mich auch damit abgefunden und pflege solche Zeitgenossen heute einfach zu ignorieren. Mich ärgert nur, daß all diese Männer in meinem Alter, egal ob mit Glatze oder Bauch, noch immer Chancen bei den jungen Mädchen haben, während eine Frau wie ich es so gut wie nie schafft, sich einen gutaussehenden, jungen Burschen anzulachen.“
    „Vielleicht bist du zu wählerisch. Ich habe mit jüngeren meistens Glück. Sie sind unkomplizierter, auch im Bett.“
    „Du hast leicht reden, dir werden die Männer noch in den Schoß fallen, wenn du längst über achtzig bist.“
    Ann-Marie bleiben Frau Mariceks moralische Ansichten erspart, da der Sohn den Redefluß seiner Mutter unterbricht.
    „Blödsinn! Vielleicht ist es weder ein Unfall noch ein Selbstmord gewesen.“
    „Halt den Mund, dummer Bub, du verstehst gar nichts“, weist ihn seine Mutter scharf zurecht.
    Aber Ann-Marie blickt ihn auffordernd an und fragt:
    „Warum glaubst du nicht an einen Selbstmord?“
    „Ich will mir lieber nicht die Zunge verbrennen, und es geht mich eigentlich auch gar nichts an, aber kommt Ihnen die ganze Geschichte nicht auch ein bißchen spanisch vor? Warum hätte sie ausgerechnet in der Nacht, bevor sie diese ganze Scheiße hier endlich hinter sich lassen würde, hinunterspringen sollen? Ich kapier’s jedenfalls nicht.“
    „Sei still, wenn dich jemand hört“, zischt Frau Maricek und sagt zu Ann-Marie: „Hören Sie nicht auf ihn. Er besitzt eine rege Phantasie und schaut zu viel fern.“
    Aber der Junge läßt sich nicht beirren.
    „Ich hab mir nachher das Geländer angeschaut, so leicht fällt da keiner hinunter, selbst wenn einem schwindlig wird, außer …“
    Sein bedeutungsvoller Blick hätte Ann-Marie in jeder anderen Situation zum

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