Zwischen zwei Nächten
über den Verkauf des Büros abgeschlossen haben, war sie so gut gelaunt wie schon lange nicht mehr. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum sie es nachher wieder bereut haben sollte. Ich habe ihr eine ziemlich hohe Summe in bar angeboten, den Rest hätte ich ihr, nach dem endgültigen Vertragsabschluß, in monatlichen Raten nach New York überwiesen. Wir haben ausgemacht, daß der Name ‚Beckmann‘ beibehalten wird, zumindest auf dem Firmenschild.“
Ann-Marie interessiert sich zwar nicht für diese geschäftlichen Angelegenheiten, hütet sich aber, ihn zu unterbrechen.
„Dein Schweigen macht mich ganz nervös“, sagte Anna.
„Ich war schon immer eine große Schweigerin vor dem Herrn.“
Anna lachte gereizt und schenkte ihrer Freundin, die nach wie vor auf dem Geschirrspüler saß und ihre Beine baumeln ließ, einen mißbilligenden Blick.
Ann-Marie war zu klein, um mit den Beinen den Boden zu erreichen. Sie sprang hinunter.
„Hast wohl Angst, daß er unter meinen Körpermassen zusammenkracht?“
„Blödsinn.“
„Laß uns eine Kleinigkeit essen, mir knurrt schon der Magen. Ich habe dieses grauenhafte Plastikfrühstück im Jumbo kaum angerührt. Stell dir vor, die haben uns kaltes Huhn serviert.“
Sie schüttelte sich vor Abscheu. Ann-Marie mochte keine Hühner, weder tot noch lebendig.
Anna schien froh über die Unterbrechung ihres Gespräches. Sichtlich erleichtert begann sie den Tisch zu decken.
Der Thunfischsalat schmeckte so gut, wie er aussah. Als Nachtisch gab es französischen Käse. Ann-Marie stürzte sich auf das Schwarzbrot.
„So tolles Brot wie in Wien habe ich nirgends gefunden, nicht einmal bei meinem italienischen Bäcker ‚Vesuvio‘ in der Columbia Street.“
Sie plauderten eine Zeitlang übers Essen, schimpften auf die amerikanische Küche und lobten die österreichische.
Anna räumte das schmutzige Geschirr in den Geschirrspüler, dann setzte sie sich wieder hin, rauchte eine Zigarette und meinte zögernd: „Zeit für ein Mittagsschläfchen?“
„Kommt überhaupt nicht in Frage. Ich fühle mich total fit. Erzähl mir jetzt endlich, was du vorhast, ich platze schon vor Neugier.“
„Das ist nicht so einfach, stell mir lieber Fragen.“
„Gut. Also, denkst du im Ernst daran, das Büro zu verkaufen?“
„Ja.“
„Das wird ein harter Schlag für Alfred sein, er fühlt sich doch schon seit Jahren als großer Chef.“
„Das ist sein Problem.“
„Und du willst auch die Wohnung aufgeben?“
„Ja.“
So ging es nicht. Dieses Frage-Spiel führte zu nichts. Annas knappe Antworten genügten ihr nicht.
„Entweder du verrätst mir jetzt deine Pläne oder du läßt es bleiben. Wir können auch weiter über alte Zeiten plaudern und gemeinsam über unsere Jugendstreiche lachen, aber deswegen bin ich eigentlich nicht nach Wien gekommen. Ich verstehe dich nicht, zuerst schreibst du, daß du unbedingt mit mir reden mußt, alles mit mir besprechen willst, daß deine ganze Zukunft davon abhänge und was weiß ich noch, und wenn du endlich die Möglichkeit hast, über alles zu reden, dann schweigst du dich aus.“
„Verzeih mir, aber ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll. Seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben, ist soviel passiert. Du mußt mir ein bißchen Zeit lassen.“
„Hast du noch ein Bier für mich? – Im Kühlschrank? Bleib sitzen, ich bedien’ mich selbst.“
Ann-Marie nahm auch für Anna ein sauberes Glas aus dem Schrank und holte den Wein aus dem Wohnzimmer.
„Vielleicht löst der Alkohol deine Zunge.“
Eine kleine Ewigkeit verging, ohne daß Anna den Mund aufmachte. Schließlich wurde es Ann-Marie zu dumm, sie zündete sich eine Zigarette an und schenkte ihrer Freundin ein aufmunterndes Lächeln.
„Du willst dich also von Alfred trennen?“
Sie fürchtete, wieder mit einer kurzen Antwort abgefertigt zu werden.
„Ich habe keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen soll, nehme aber an, daß Alfred aus den Verträgen wieder aussteigen möchte.“
Paul weicht Ann-Maries Blicken aus.
„Eine komplizierte Geschichte. Eigentlich habe ich nicht die geringste Lust, ihn weiterwirtschaften zu lassen. Ich traue ihm, unter uns gesagt, nicht zu, daß er das Büro wieder auf die Höhe bringt. Und es wäre schade um diese renommierte Firma.“
Ann-Marie pflichtet ihm bei.
„Mit Hilfe eines geschickten Anwalts könnte es ihm gelingen, den Verkauf rückgängig zu machen. Nun, man wird sehen. Heute ist nicht der geeignete Zeitpunkt, um solche
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