Zwischen zwei Nächten
Transaktionen zu besprechen. Keinesfalls aber werde ich zulassen, daß man Annas Entscheidung im nachhinein ihrer angeblichen Unzurechnungsfähigkeit zuschreibt. Dagegen werde ich mich mit allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen, wehren. Anna war sich der Folgen ihrer Handlungsweise voll bewußt. Umso mehr ich darüber nachdenke, desto überzeugter werde ich, daß sie erleichtert war, das Büro loszuwerden.“
Ann-Marie stimmt ihm wieder zu, scheint aber in Gedanken nicht recht bei der Sache zu sein.
„Hat sie die schöne Wohnung auch aufgeben wollen?“, fragt sie, nur um das Gespräch in Gang zu halten.
Paul räuspert sich betreten und antwortet erst nach einer kleinen Pause.
„Ja, ich hätte sie später übernehmen sollen. Sie wollte Alfred nicht von heute auf morgen auf die Straße setzen. Aber in etwa einem halben Jahr hätte ich die Räume dazubekommen und sie ebenfalls zu Ateliers umgebaut. Ich habe vorgeschlagen, daß sie wenigstens ihr kleines Studio behalten sollte, aber sie hat dieses Angebot abgelehnt. Dennoch beschloß ich, diesbezüglich eine Klausel in den Vertrag aufzunehmen. Wer weiß, vielleicht wäre sie eines Tages doch wieder zurückgekommen und froh gewesen, fürs erste ein Dach über dem Kopf zu haben.“
Seine Fürsorglichkeit rührt Ann-Marie.
„Völlig sinnlos, sich jetzt noch Gedanken darüber zu machen.“
„Ja, weil ich ihn nicht mehr liebe. Vielleicht habe ich ihn nie geliebt, aber darum geht es gar nicht. Ich ertrage einfach seinen Anblick nicht mehr. Ich habe lang genug gewartet, eine Menge Geduld aufgebracht, nicht nur mit Alfred, sondern auch mit mir selbst, mit meiner eigenen Unentschlossenheit. Er hintergeht mich seit Jahren, gleich nach der Hochzeit fing er damit an. Diese Monikas, Marias, Silvias …, zum Glück kann ich mich nicht mehr an alle erinnern. Sie kamen und gingen, manche rasch, manche hielten sich länger. Anfangs haßte ich es, eine betrogene Ehefrau zu sein. Da ich mich aber nie besonders für die Liebe begeistern konnte, begannen mich seine Bettgeschichten bald zu langweilen. Große Leidenschaften finde ich zwar auf der Leinwand ungeheuer aufregend, aber für mich beanspruche ich sie nicht. Ich finde, sie ersparen uns nur, daß wir uns mit uns selbst beschäftigen. Es wäre übertrieben, wenn ich behauptete, daß ich ihm sein Vergnügen gönnte, so weit ging meine Toleranz nun auch wieder nicht, aber ich unternahm nichts gegen seine billigen Affären. Es störte mich nicht einmal, daß sie im Büro über mich tuschelten. Einige hatten vielleicht Mitleid mit mir, die anderen ergötzten sich an ihrer Schadenfreude. Daß er sich nun diese Margot anlachte, spielt keine Rolle. Sie oder eine andere, was macht das für einen Unterschied? Obwohl ich den Eindruck habe, daß es sich dieses Mal um etwas Ernsteres handelt. Keine seiner früheren Beziehungen dauerte länger als drei bis vier Wochen. Mit Margot ist er nun schon seit letztem Sommer zusammen. Sie ist eine sehr energische junge Frau, die genau weiß, was sie will. Klein, aber zäh, wenn du verstehst, was ich meine. Sie hat nichts von der Großzügigkeit und Gutmütigkeit, die Frauen unserer Generation und vor allem unserer Statur auszeichnen. Mit krankhaftem Ehrgeiz verfolgt sie rücksichtslos und berechnend ihre Ziele – auf die alte Weibchentour natürlich. Zum Beispiel hat sie einen unserer besten Architekten hinausgeekelt und dann, ohne mit der Wimper zu zucken, seinen Platz eingenommen. Damals habe ich sie noch nicht durchschaut, ich bin keine besonders gute Menschenkennerin, wie du weißt. Ich habe sie für eine begabte junge Frau gehalten und ihr eine Chance geben wollen. Sie hat nicht nur ihre Chance genützt, sondern sich auch meinen Mann geangelt. Und inzwischen hat ihre Tüchtigkeit gehörig nachgelassen. Sie meldet sich häufig krank und setzt Alfred Flöhe ins Ohr.“
Ann-Marie runzelt die Stirn.
„Hat Anna eigentlich ein Testament hinterlassen?“
„Nein, soviel ich weiß nicht.“
„Auch keinen Abschiedsbrief?“
„Nein. Aber interessant, daß Sie danach fragen. Ich finde es, gelinde ausgedrückt, eigenartig. Man sollte doch annehmen, daß sie zumindest ihrem Mann ein paar Zeilen schuldig gewesen wäre.“
Dem am allerwenigsten , denkt Ann-Marie, behält aber diesen Gedanken für sich und sagt: „Vielleicht findet sich noch ein Brief oder irgendein anderer Hinweis. Ich werde Alfred bitten, mir zu erlauben, ihre Sachen durchzusehen. Ich bezweifle, daß die Polizei die
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