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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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trug ihre neue Schürze, blau, mit einem Muster von roten Marienkäferchen bekrabbelt, und war lange vor dem Glasschrank gestanden, um eine von den schönen alten vergoldeten Tassen für den Gast auszuwählen. Karbon, wie Männer sind, beachtete die Tasse nicht, bemerkte aber die Schürze und dehnte sich zufrieden unter der fremden Decke.
    »Geht es Ihnen besser?« fragte Elisabeth schüchtern und strich sich mit einer Gewohnheitsbewegung das Haar hinters Ohr. Karbon folgte gedankenlos der Hand und sah es glänzen. »Herrlich geht es«, sagte er und wurde noch länger unter der Decke vor Wohlbehagen. »Der Schädel funktioniert wieder, und der Arm fängt auch an zu parieren.«
    »Ja. Es war nicht einmal eine richtige Gehirnerschütterung, sagt der Doktor. Und wenn die Schulter gut eingerenkt ist, spüren Sie in ein paar Tagen nichts mehr davon. Hat's arg weh getan gestern?«
    »Das Einrenken war kein Honiglecken, danke der Nachfrage. Der Herr Doktor hat da einen etwas kannibalischen Griff produziert. So mit seinem Fuß in meine Achselhöhle treten – prosit!«
    Elisabeth lachte in sich hinein. »Auf den Griff ist er sehr stolz. Das ist ein klassischer Griff, den hat er von einem alten Dorfarzt gelernt«, sagte sie.
    »Aha«, antwortete Peter Karbon zweifelnd. Er kam sich wahrhaftig vor, als wäre er unter Wilde gefallen. Die Frau nahm das Tablett und ging von ihm fort, was er mit einem leisen Bedauern wahrnahm. Dafür erschien ein kleines Mädchen an der Tür – Eingeborenenkinder waren stets neugierig, wußte Karbon, der Weltreisende – und beäugte ihn aufmerksam.
    »Guten Tag. Kann ich deinen Verband sehen?« fragte Rehle, die eine heftige Leidenschaft für alles Medizinische hatte und dementsprechend eine Puppe ohne Arme, aber mit vielen Leukoplastresten verpflastert, bei sich trug.
    »Ich glaube, ich habe gar keinen«, sagte Peter und sah das Kinderhaar glänzen, wie es vorhin das Haar der Arztfrau, von der gleichen Vormittagssonne getroffen, getan hatte. Wirklich lagen sogar die Schnittwunden an seinen Händen offen, denn Doktor Persenthein, getreu seinen Ideen, liebte es nicht, Wunden zu verschließen. Am liebsten hätte er seine blessierten Patienten in die Sonne gelegt und ihnen anbefohlen, ihre Wunden auszulecken, wie Hunde und Katzen es tun.
    »Schade«, sagte das Rehle und rückte näher. »Kola läßt dich grüßen, und ich soll dich pflegen, bis er zurückkommt.«
    »Besten Dank, Fräulein. Wer ist Kola?«
    »Na, das ist doch natürlich der Doktor«, sagte Rehle und stemmte ihre Knie gegen die Bettkante, obwohl das bei Krankenvisiten verboten war.
    »Aha. Und wer bist du?«
    »Ich bin das Rehle. Meine Mutter kennst du doch. Kola ist das Kind von meiner Mutter«, erklärte Rehle, denn so und nicht anders stellten die Persentheinschen Familienverhältnisse sich in ihrem kleinen Kopf dar.
    »Da ist der Doktor also dein Bruder?«
    »Du bist schön dumm«, sagte Rehle. »Natürlich ist der Kola mein Vater. Kann ich dich jetzt pflegen?« beschloß Rehle kurz das Gespräch. Peter Karbon überlegte die letzte Auskunft ein wenig und begann zu lächeln. »Da habt ihr also alle zusammen ein und dieselbe Mutter?« fragte er und hatte mit einemmal eine sehr deutliche Vorstellung von dieser Frau Doktor mit der Küchenschürze, dem zurückgestrichenen, honigfarbenen Haar und der langen Hand, die einem übers Herz strich, wenn man sich elend fühlte.
    »Ja. Lungaus hat auch meine Mutter«, berichtete Rehle.
    »Wer ist das wieder, Lungaus?«
    »Das ist doch der alte Mann in der Mansarde. – Kann ich dich jetzt endlich pflegen?« erkundigte sich Rehle ungeduldig.
    Peter Karbon legte sich gemütlich zurecht. »Ja, bitte, pfleg mich mal«, sagte er erwartungsvoll. Rehle ging zum Waschtisch, wusch mit ernsthafter und angespannter Miene ihre kleinen Pfoten, kam ans Bett zurück, klapste sachgemäß die Decken und die Kissen, faßte Peters braune und große Hand und tat mit gerunzelten Brauen, als zähle sie den Puls, und zuletzt setzte sie sich auf den Bettrand und begann mit ihren gesäuberten, einwandfreien Händen Peters Haare aus der Stirne zu streichen. Er hatte nichts dagegen einzuwenden. Er hatte Zärtlichkeiten von dieser drolligen Sorte nicht empfangen, seit sein kleiner Makako an Lungenschwindsucht und europäischer Traurigkeit verstorben war.
    »Ich muß immer an ein Dschungeldorf denken, Beni-Sanka«, sagte er, als Frau Persenthein wieder in der Tür erschien. »Ich hatte da schlapp gemacht, mit Fieber,

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