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Zwischenfall in Lohwinckel

Titel: Zwischenfall in Lohwinckel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baum Vicki
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gestützt und monologisierend.
    »Haben Sie wieder irgend etwas ausgefressen?« fragte Doktor Persenthein, der sein Versuchsobjekt genau kannte.
    »Wie meint der Herr Doktor das?« fragte Lungaus und drehte sich langsam der Tür zu. Persenthein ließ es auf sich beruhen. »Wo ist das Rehle?« fragte er zunächst.
    »Ja. Wo ist das Rehle?« antwortete der Arbeiter gereizt. »Da fragen Sie mir. Ich wüte mich schon den ganzen Tag, daß sie das Rehle immerzu abschiebt. Als könnte ich nicht das Rehle zu Bett bringen. Oder könnte Rehle nicht selber. Die ist doch helle, die ist klüger als manche Erwachsene, das Rehle –«
    »Na, wo ist es denn?« fragte der Doktor, etwas verwundert über den weinerlichen Ton, den Lungaus zeigte. Allerdings war die Liebe zum Rehle die weiche Stelle im hartgesottenen Organismus dieses vorbestraften, verfinsterten und widerspenstigen Lungaus.
    »Vielleicht ist das arme Kind bei ihrem Großvater gegangen, das arme Kind. Wo soll es denn bleiben, wenn die Mutter fortgeht.«
    »Na, ich bin doch schließlich zu Hause. Warum marschiert es denn davon, ohne zu fragen?« sagte Persenthein ärgerlich. Das fünfjährige Rehle hatte es so an sich, daß man sich mit ihm auseinandersetzen mußte wie mit einem fertigen Menschen.
    »Auf Ihnen ist sie beleidigt, weil Sie ihr nicht mitgenommen haben«, gab Lungaus Auskunft, mit deutlicher Parteinahme für Rehle.
    »Herrgott, ich kann sie doch nicht schon zu Entbindungen mitnehmen!« rief der Doktor. Lungaus zuckte die Achseln.
    »Ich möchte essen. Ich kann keine Teller finden«, fuhr der Doktor fort.
    Lungaus setzte sich auf den Bettrand, behielt aber das Fenster im Auge und ging auf Persentheins wirtschaftliche Verlegenheiten nicht ein, sondern folgte seinen eigenen Gedankengängen.
    »Das ist nicht recht, sage ich, daß sie das Kind so ein Theater vormacht. Dreimal rein in die Kammer zu Rehle und jedesmal geheult und schleppt das Kind herum und küßt es ab wie verrückt, und dann fragen: ›Rehle, wenn Mutter fortgeht, was tust du dann?‹ Und: ›Rehle, halt mich doch fest‹, und: ›Rehle, nimm mich um den Hals‹, und: ›Rehle, hab mich lieb‹, und all so Sachen, das hat das Rehle natürlich gefressen, wie das Rehle schon mal ist. Die ist doch, wie so 'ne Haselnuß ist die, kommt mir immer vor, da haben Sie lang zu beißen, bevor Sie reinkommen, Herr Doktor. Da kommt das Rehle zu mir und sagt: ›Wenn Mutter weggehen will‹, sagt sie, ›da soll sie doch gehen. Ich hab doch den Kola‹, sagt sie, ›und du bist auch da, ich lerne dir kochen, da brauchen wir Mutter nicht‹, wahrhaftig, das sagt das Kind, ›und Erika ist auch noch da‹, sagt sie – das ist doch die Puppe ohne Kopf, weiß der Herr Doktor. Na, da sage ich: ›Bist klug, Rehle‹, sage ich, ›immer laufen lassen, was nicht bleiben will‹. Aber recht ist das nicht, daß sie da mit das Kind drüber redet, da soll sie doch türmen, wie sie will, aber das Kind in Ruhe lassen damit, so ein Kind weiß genau, was los ist.«
    Zwar war Doktor Persenthein ziemlich zu Hause in der Diktion seines Schützlings, aber diesmal fand er nicht durch. »Wovon ist denn die Rede?« fragte er ungeduldig. »Ist da so ein Aufstand, weil meine Frau mal ins Kino gegangen ist?«
    »Jawohl, ein Aufstand«, wiederholte Lungaus und kratzte auf seiner Bettdecke herum. »Ein Aufstand ist. Ein Aufstand.« Das Wort schien ihm zu gefallen, aber er ließ es los, um zu seinen Gedankengängen zurückzukehren. »Man soll bloß nicht glauben, ein Kind hat keinen Verstand. Wie ich grade sechs war, da hab ich einen Kerl bei meiner Mutter im Bett gefunden, grade sechs, grade war ich zur Schule gekommen, da geh ich in die Kammer und will mir Kaffee holen, wir hatten so ein Schübchen im Ofen, da stand immer der Kaffee, und da liegt so ein Kerl bei meiner Mutter im Bett, das hab ich mein Lebtag nicht mehr aus den Knochen gekriegt, kann ich Herrn Doktor sagen«, erzählte er mit unruhiger Stimme. Der Doktor hörte unbehaglich zu.
    »Na, Lungaus –«, erwiderte er; »jetzt könnten Sie mir also helfen, Teller suchen.«
    »Die sind im Büfett unten im zweiten Fach«, teilte Lungaus mit, nicht willens, sich nützlich zu machen. »Wurst ist in die Speisekammer. Ihnen vernachlässigt sie natürlich auch, natürlich. Keine Bananen im Haus und kein Apfelsinensaft, und die Milch sauer geworden. ›Essen Sie mal Wurststulle, Lungaus‹, sagt sie zu mir, ›aber der Herr Doktor braucht es nicht wissen.‹ Na, da eß ich

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