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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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Dämme gebaut, Stauseen, Schleusen oder so was?«
    »Vielleicht alles. Auf jeden Fall behalten sie irgendwie alles für sich. Und was hat Lasje gesagt: Die Leute aus Sandbuche müssen ihr Wasser bei den Runji holen. Und wetten, dass sie das nicht gratis kriegen?«
    »Was für eine dreckige Bande von Geiern!«, schimpft Tio. »Ich kann mich noch erinnern, wie sie behauptet haben, dass die Fische dem Fischer gehören, in dessen Netz sie landen. Als sie hierhergekommen sind, um sich niederzulassen, und die Leute von Sandbach sie weg haben wollten, da haben die Runji am lautesten geschrien, dass der Fluss und das Meer niemandem oder allen gehören, und wenn sie hier fahren, fischen oder wohnen wollten, könnte sie niemand daran hindern.«
    »Offenbar denken sie jetzt anders darüber. Jetzt meinen sie, das Wasser würde ihnen allein gehören.«
    »Jedenfalls glauben sie, dass sie damit tun und lassen können, was sie wollen.«
    »Sie schon, aber die Menschen in Sandbuche gucken in die Röhre.«
    Mit einer gehörigen Wut im Bauch legen sie die letzten Meter nach Terrasa zurück. Was sie dort zu sehen kriegen, stimmt sie nicht milder. Es ist genauso, wie es sich Tio gedacht hat.
    Die alte Stadt wirkt heruntergekommen. Die Brücken und Stege haben ihre Funktion verloren, da kein Wasser mehr unter ihnen fließt. Weiter landeinwärts erhebt sich die neue Stadt, eine Stadt voller gewaltiger Bauwerke.
    »Aus Stein«, sagt Ayse leise. »Siehst du, ich hab es beim letzten Mal gesagt: Irgendwann bauen sie ihre Häuser aus Stein. Schade. Ich fand die Schnitzereien schön und die zierlichen Brücken und überhaupt alles. Nun sind sie kein Flussvolk mehr.«
    »Ein Flussvolk sind sie vielleicht immer noch«, widerspricht Tio. »Nur dass sie jetzt das Wasser vieler Flüsse stehlen.« Er lacht verächtlich. »Aber ein reisendes Flussvolk, das werden sie nie wieder sein.« Er betrachtet unauffällig eine Runji, die an ihnen vorbeigeht. »Kahlköpfig sind sie nach wie vor, aber ihre Klamotten haben sich verändert. Sie tragen nun alles in Regenbogenfarben, auch wenn es noch immer aus dem gleichen schimmernden Stoff ist.«
    »Hässlich«, faucht Ayse, die mit kritischen Augen die auffällig glänzenden rot-grün-violett-blauen Kleidungsstücke mustert. »Sie sehen aus wie eine Bande von aufgedonnerten Kirmesclowns.« Dann schaut sie Tio erschrocken an. Ist eine Kirmes nicht ungefähr dasselbe wie eine Wanderbühne, und ist ein schlechter Zauberkünstler nicht auch so eine Art Clown? »Damit meine ich nicht … äh … Ich wollte nicht …«
    Aber Tio wischt ihre Entschuldigung lässig beiseite. »Du hast schon recht, es ist gerade so, als ob hier Karneval wäre. Das Einzige, was fehlt, sind die roten Pappnasen.«
    Unwillig betreten sie die steinerne Stadt, die sich an beiden Ufern von dem, was einmal ein Fluss war, erstreckt. Die seltsamen Gebäude, die hier stehen, können sich Tio und Ayse zunächst nicht recht erklären, doch als sie eine höher gelegene Stelle erreicht haben, blicken sie auf Mauern aus Stein, auf Rohrleitungen und Wasserbecken.
    »Da, siehst du?« Tio nickt triumphierend. »Sie haben den Fluss einfach in ein paar riesigen Badewannen aus Stein eingefangen, von denen aus sie das Wasser durch Rohre dahin leiten, wo sie es haben wollen.«
    »Und das ist überall dahin, wo Runji wohnen, aber bestimmt nicht zu den armen Schluckern in der weiteren Umgebung.«
    »Nein, die müssen es teuer bezahlen, wenn sie was davon haben wollen.«
    »Ob es wohl immer noch eine Maile gibt, und hat die sich das vielleicht ausgedacht?«, überlegt Ayse laut.
    »Ich mag das Weib nicht. Ich hab sie noch nie gemocht.«
    »Arme Hala«, sagt Ayse traurig. »Was muss sie sich dafür schämen.«
    »Ich hoffe nur, dass sie alles ändern wird, wenn sie später mal die Chefin ist.«
    »Nur dass wir das nie erleben werden«, sagt Ayse schroff. »Das finde ich so unerträglich, dass wir nie erfahren werden, wie es weitergeht. Wir kommen jedes Mal zum selben Zeitpunkt wieder. Ich meine, zu denselben Menschen. Nein, falsch.« Sie denkt einen Moment scharf nach. »Die Menschen, denen wir begegnen, haben immer wieder dasselbe Alter. Ich würde gern sehen, wie das hier sein wird, wenn Hala so alt ist wie ihre Mutter jetzt. Es ist gerade so, als ob wir in einer Geschichte stecken, die sich ständig wiederholt, auch wenn sie immer wieder ein bisschen anders ist. Aber jedes Mal richten die Runji etwas an, und die Salzländer verlieren dadurch etwas.«
    Tio

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