Zwischenwelten (German Edition)
setzt sich auf eine Steinmauer und blickt auf die Becken unter ihnen. »Welche Bedeutung hat das Ganze? Was, meint Buba, sollen wir machen?«
Ayse antwortet nicht.
»Partei ergreifen?«, überlegt Tio. »Also, das wäre ziemlich einfach. Ich stehe auf der Seite der Salzländer.«
»Sehr sinnvoll«, findet Ayse. »Und warum? Was hat sich bei denen getan? Nein, das ist nicht das, was Buba von uns verlangt.«
»Was denn dann? Will er, dass wir den Salzländern helfen?«
Nun lacht Ayse ihn regelrecht aus. »Und wie willst du das machen? Bildest du dir ein, dass du es alleine gegen ein ganzes Volk aufnehmen kannst?« Sie setzt sich neben Tio auf das Mäuerchen. »Er will, dass wir etwas sehen, dass wir etwas tun.« Sie beugt sich vor und starrt eine Weile mit zusammengekniffenen Augen auf das steinerne Labyrinth zu ihren Füßen. »Oder vielleicht will er, dass wir etwas tun, aber nicht hier. Sie richtet sich wieder auf und schaut Tio nachdenklich an. »Wie viele Kinder schickt er wohl hierhin, was denkst du? Hierhin oder in andere Spiele, die er sich ausgedacht hat? Oder auf andere Level, in andere Zeiten? Wie viele Kinder laufen genau wie wir in dieser merkwürdigen Umgebung herum? Dutzende? Hunderte? Hofft er vielleicht einfach nur, dass wir dadurch bessere Menschen werden?«
»Ach nee, wie spießig.« Tio schüttelt den Kopf. »Wenn das so ist, dann gehe ich auf der Stelle zurück. Dann ist er kein Haar besser als meine Mutter, bei der ich immer nur lehrreiche Sendungen im Fernsehen sehen darf. Man kann doch wohl auch mal was nur zum Spaß machen, oder?«
Ayse fängt an zu lachen. Tio macht wahrscheinlich genau dasselbe Gesicht wie damals, als er noch ein kleiner Junge war und nur die Sesamstraße gucken durfte. »Es sagt doch niemand, dass du hier nicht auch nur zum Spaß herkommen kannst.«
»Aber ich hab ja gar keinen Spaß«, mault Tio. Er wirft noch einmal einen wütenden Blick auf die Becken voller Wasser. »Als ob das hier so lustig wäre.«
»Aber du warst doch total wild darauf hierherzukommen. Du bist ja sogar alleine gegangen, weil du es nicht mehr ausgehalten hast.«
»Dann bin ich eben einfach neugierig. Ich will wissen, wie es hier weitergeht. Wie bei einem schlechten Film. Das kennst du doch, da sitzt man vor einem richtig miesen Film, und man guckt trotzdem weiter, weil man unbedingt wissen will, wie er ausgeht.«
Ayse runzelt die Stirn. Dann seufzt sie. »Genau, und dann, kurz vor dem Ende, schaltet jemand den Fernseher aus. Das ist so was von ätzend. Da gucken wir uns diesen jämmerlichen Mistfilm an und werden niemals wissen, wie er ausgeht! He, vielleicht sollten wir uns bei Buba beschweren.«
Sie stehen von dem Mäuerchen auf und machen einen Rundgang durch das steinerne Terrasa.
»Warum haben sie es jetzt wohl Terrasa genannt?«, fragt Tio.
»Weil das vornehmer klingt«, vermutet Ayse, und um ihren Mund spielt ein spöttisches Grinsen. »Viel schicker und edler. Diese Bande von Wichtigtuern.«
Tio blickt an einem Haus hoch. »Die Form ihrer Gebäude ist gleich geblieben.«
Ayse nickt. »Es ist gerade so, als würden die Runji jetzt in versteinerten Booten wohnen. Lächerlich. Bau dir ein Boot und geh damit aufs Wasser, oder bau dir ein normales Haus! Aber was ich am schlimmsten finde …«, sie zeigt um sich, »… ist all das Grün!«
»Das Grün?«
»Die Pflanzen! Ist dir das noch nicht aufgefallen? Ganz Sandbuche ist ohne Wasser, und nun schau dir an, was sie hier damit machen! Hier schludern sie richtig damit rum! Hier bauen sie nette kleine Bäche und Wasserfälle und Springbrunnen. Und überall wachsen Wasserpflanzen. Es ist geradezu eine … Wie heißt das, so ein Ding in der Wüste?«
»Oase?«
»Genau! Und die Salzländer sitzen ein paar Kilometer weiter auf dem Trockenen und dürfen ab und zu, wenn sie ihr teures Wasser holen kommen, all das Schöne anglotzen.« Ayses Augen funkeln.
»Mensch, kannst du böse gucken!«
»Ich kann noch viel böser gucken!« Sie gehen unter einem Torbogen durch, hinter dem sie noch mehr Grünzeug erwartet. »Hier, das musst du dir ansehen.«
»He, das ist doch die alte Mittelterrasse, nur eben aus Stein.«
»Ja, aber das ist jetzt egal. Ayse deutet mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Springbrunnen in der Mitte. Ein paar Runjikinder sitzen auf dem Rand und spielen mit dem sprudelnden Wasser. Sie spritzen sich gegenseitig nass und haben dabei einen Riesenspaß. Ayse bleibt bei den Kindern stehen und sieht ihnen zu. Nach einer
Weitere Kostenlose Bücher