Zwischenwelten (German Edition)
hin.«
»Warum denn nicht?«, fragt Ayse.
»Wollen sie nicht haben, so salzländischen Kram in ihrem Hafen, ihr wisst ja, wie sie sind. Aber ich kann euch in die Nähe bringen. Es gibt genügend Anleger am linken Flussufer, wo ich euch absetzen kann. Und ihr habt Glück, heute hab ich keine anderen Kunden.«
Du meinst wohl eher, denkt Tio insgeheim, du hast Glück, dass wir heute früh zufällig reingeschneit kommen, sonst würdest du heute nämlich nichts verdienen. Grinsend klettert er an Bord.
Valpa wirft einen neugierigen Blick auf die Rolle unter Ayses Arm.
»Runjikunst«, sagt Tio schnell, »haben wir gestern in einem Andenkenladen in Terrasse gekauft.«
Sie fahren gleich ab, und eine halbe Stunde später stehen Tio und Ayse auf der Seite des Flusses, die die Runji das rechte Ufer nennen. Sie müssen Valpa noch mal versichern, dass er nicht kommen muss, um sie abzuholen.
»Wir laufen zurück«, erklärt Ayse.
»Sehr schade«, sagt Tio, als sie schon ein Stück gegangen sind, »dass er uns nicht zurückbringen kann.«
»Wir können nicht auf diesem Level mit ihm vereinbaren, dass er uns auf dem vorherigen abholen kommt, das geht nun mal nicht.«
Im Hafen der Runji angekommen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu rennen, genau wie sie es im bewohnten Sandbach wegen all der Runji auf der Straße gemacht haben.
»Vielleicht sind die Zeichnungen inzwischen total veraltet«, überlegt Tio, »und es ist ihnen ganz egal, ob wir damit rumlaufen oder nicht.«
»Das Risiko will ich nicht eingehen!« Ayse spurtet weiter. Sie hat absolut keine Lust, von einem neugierigen Runjifischer angehalten zu werden, der wissen will, was sie da für Zeichnungen hat – veraltet oder nicht, sie darf sie einfach nicht haben.
»Das sind vielleicht blöde Treppen zum rückwärts Runtersteigen«, stellt sie fest, als sie den Anleger erreicht hat.
»Rückwärts hoch ist noch schlimmer!«, sagt Tio einige Sekunden später.
Aber es klappt, und als sie ganz hochgestiegen sind, stehen sie auf demselben hölzernen Anleger wie gerade eben noch, nur ist der Hafen nun fast leer. Sechs Fischerboote dümpeln an Tauen auf und nieder, Menschen sind kaum zu sehen.
»Klar«, sagt Ayse leise, »die Boote liegen natürlich alle vorm Kai von Sandelenbach, um ihre Steinkugeln abzuschießen. Sie haben die Schwingen auf ihre Fischerboote montiert, deshalb liegen hier kaum welche. Ich glaube, es hat geklappt: Wir sind wirklich in einer weiter zurückliegenden Welt.« Sie deutet mit dem Kopf auf die Treppe. »Es funktioniert hier also auch.«
»Und was jetzt?«, fragt Tio. »Wir haben zwar die Zeichnungen auf den Level gebracht, wo wir sie haben wollten, aber in Sandelenbach ist Krieg.«
»Wir sollten einen Tag warten und morgen hingehen, dann ist der Kampf wahrscheinlich vorbei«, schlägt Ayse vor. »Wenn wir eine Stelle finden, wo wir übernachten …«
Sie wird von einer ruppigen Stimme unterbrochen, die sie barsch anfährt.
Ayse blickt sich um. Ein breitschultriger Runjifischer überschüttet sie heftig gestikulierend mit einem regelrechten Wortschwall.
»Ich verstehe kein Runji«, sagt sie kaltblütig.
Jetzt sieht der Mann echt besorgt aus. Er winkt ein paar Frauen heran, die etwas entfernt stehen. Offenbar braucht er sie als Dolmetscherinnen.
Die Frauen sprechen Tios und Ayses Sprache fließend. Sie verstehen die Besorgnis des Fischers und überschütten Ayse mit einem Hagel von Fragen.
»Was hast du da bei dir?«
»Ihr seid keine Runji. Was macht ihr mit diesen Rollen Runjipapier?«
»Mist!«, flucht Ayse aus tiefster Seele und wirft Tio einen verzweifelten Blick zu.
Der zögert keinen Moment, packt Ayse am Arm und schleift sie einfach zurück zu den Treppen. »Nach unten! Nein, nicht rückwärts, du Trottel … aber na ja, was macht das schon aus.«
Aber es macht durchaus etwas aus.
Einen Moment zögert Tio noch, als er einen Plumps hört und Ayse wieder zu fluchen anfängt. Doch die Runji, die auf ihn zukommen, lassen ihm keine Wahl, und so wagt auch er den Schritt nach hinten. Eine Sekunde später versteht er auch das Plumpsen und die Flüche. Er kann sich kaum aufrecht halten, als die Treppe, an der er sich festhält, sich in Nichts aufzulösen scheint und er droht hintenüber zu stürzen. »Verdammt noch mal!«, schimpft er und starrt auf das Wasser, das ihm bis zu den Knöcheln geht.
Dann hört er Ayse kichern und dreht sich zu ihr um. Auch sie steht mit ihren Sandalen im Wasser.
»Was gackerst du denn
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