Zwischenwelten (German Edition)
einen nachdenklichen Blick nach hinten, als würde er sich fragen, was die beiden auf dem Kai wohl an seinem Boot nicht in Ordnung finden. »Stimmt irgendwas nicht mit meinem Netzwerfer?«
Ayse bleibt der Mund offen stehen und Tio verschluckt sich.
Ayse ist die Erste, die sich wieder im Griff hat. »Wie nennen Sie den Apparat?«
»Das ist ein Netzwerfer, Mädchen. Gibt es die da, wo ihr herkommt, nicht? Eine großartige Erfindung, das muss ich schon sagen. Ganz Sandelenbach fischt heute mit diesen Dingern.« Er zeigt auf die anderen Boote im Hafen.
Ayse spürt ein Kribbeln im Hals. Sie versucht es zu unterdrücken, aber es ist ein schallendes Gelächter, das unbedingt nach draußen will. Sie greift nach Tios Arm, und als sich ihre Blicke begegnen, sieht sie, dass auch er anfängt zu grinsen.
Der alte Fischer weiß nicht, was los ist, aber er kann bei dieser Fröhlichkeit nicht anders und lacht kopfschüttelnd mit. »Na, ihr zwei seid aber vergnügt. Tja, in euerm Alter kann man noch aus vollem Herzen lachen.« Ein bisschen wehmütig sieht er die beiden an, als würde er viel dafür geben, selbst so unbändig vor Vergnügen lachen zu können.
»Fantastisch«, sagt Ayse, als sie ein paar Meter weiter wieder stehen bleiben. »Ein Ding, um damit zu fischen! Gib ihnen einen Entwurf für eine Kriegswaffe, und sie machen daraus einen Netzwerfer!«
Tio wischt sich die Lachtränen aus den Augen. »Na ja, zumindest vorläufig. Vielleicht fällt ihnen das mit den Steinschwingen auch noch ein.«
Ayse stößt ihn in die Rippen. »Bloß nicht!« Sie läuft voraus. »Ich guck mal da vorne.« Es ist noch sehr früh am Morgen, und sie hat gesehen, wie ein Stück weiter eine Reihe von Händlern Waren auf ihren noch leeren Marktständen auslegen. Sie lacht. »Der Stand gleich da drüben, siehst du die Stapel mit weißem Ziegenkäse? Thorpa! Wie viel Geld haben wir noch?«
»Genug.«
»Guten Tag.« Ayse tut wieder so, als würde sie einem völlig Fremden begegnen. »Ich hätte gern ein ordentliches Stück Ziegenkäse!«
»Aber Mädchen, ich hab doch noch gar nicht alles ausgepackt.« Thorpa lacht.
»Aber der Ziegenkäse liegt doch schon da.« Ayse zeigt darauf. »Der weiße da. Den will ich.«
Thorpa unterbricht das Auslegen, schneidet mit vor Vergnügen glänzenden Augen ein Stück Käse ab und wiegt es. »So, und noch eine kleine Extraportion.« Er zwinkert Ayse zu. »Willst du schnell noch probieren, ob es auch der Richtige ist?« Er hält Ayse ein Stück Käse hin.
»Gerne!«, sagt Ayse. »Tio, willst du auch …?« Doch Tio ist schon weitergegangen, und sie beeilt sich mit dem Bezahlen.
Als sie Tio eingeholt hat, bemerkt sie, dass er sich einen Stand mit kunstvollen Schnitzereiarbeiten ansieht. Hinter dem Stand stehen zwei Personen in silberfarbenen Hemdblusen. Sie haben ganz kurze Stoppelfrisuren, doch das ist weniger kahl als völlig kahl.
»Runji«, flüstert Tio.
»Ohne Fische«, bemerkt Ayse. »Sie verkaufen nur Fische aus Holz. Warum wohl?«
»Weil die Salzländer selbst genug Fische fangen. Dafür brauchen sie die Runji nicht.«
Ayse denkt nach. »Wenn da wieder Runji sind, gibt es dann auch wieder ein Terrasse?«
»Willst du nachsehen?«
Ayse nickt.
Sie gehen den Weg entlang, der zu einem breiten, harten Kiesweg ausgebaut ist. Hier fahren viele salzländische Wagen, doch Runjiwagen sehen sie keine, wohl aber Runji, die zu Fuß unterwegs sind und Körbe mit Waren tragen, die offenbar für den Markt bestimmt sind.
Am linken Ufer stehen einige robuste Anleger auf dicken Holzpfählen, an denen rund zwölf zierliche Flussboote vertäut liegen.
»Reisende«, sagt Ayse. »Sie sind Reisende geblieben. Siehst du, sie haben keine Terrassen, sie wohnen hier nicht fest. Sie sind auf der Durchreise.«
Sie geht ein Stück an einem Anleger entlang. Es ist natürlich nicht fein, aber sie kann es nicht lassen, ungeniert durch eines der Fenster der Boote zu spähen. Es kommt ihr fantastisch vor, mit dem eigenen Haus auf dem Wasser um die ganze Welt zu reisen.
Ein Junge, der sich irgendwo in dem Wohnboot aufgehalten hat, streckt den Kopf nach draußen und raunzt Ayse barsch an.
Ayse erkennt Kivan, aber natürlich lässt sie sich das nicht anmerken. »Ich spreche kein Runji«, sagt sie kühl und erwidert seinen mürrischen Blick. »Blödmann.«
Hinten auf dem Deck fängt jemand an zu kichern. »Du hast Glück, dass mein Bruder eure Sprache nicht versteht.« Ein Mädchen mit einer einfachen Angelrute in den Händen
Weitere Kostenlose Bücher