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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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verschwitztes Gesicht. »Und unser Wagen ist auch kaputt. Der muss zuerst repariert werden.«
    »Die gemeinen Runji!«, ruft Thorje wütend mit finsterem Blick und geballten Fäusten. »Wir sollten ihr Dorf in Stücke hauen. Wir müssen auch Schwingen bauen, solche wie sie haben, und dann schießen wir bei ihnen alles kurz und klein.«
    Sirpa macht ein tadelndes Geräusch.
    »Habt ihr den keine, äh … Schwingen?«, fragt Ayse.
    »Die Salzländer sind immer ein friedliebendes Volk gewesen«, sagt Sirpa belehrend. »Wir haben all das Kriegszeug nie für nötig gehalten. Bis die Runji hergekommen sind.« Sie seufzt. »Aber jetzt, fürchte ich, müssen wir doch etwas unternehmen.«
    »Weil sie alles haben wollen, was uns gehört«, ruft Thorje. »Unser Land, unsere Sachen und unsere Häuser, und sie wollen uns hier weghaben!«
    »Thorje!«, brummt Sirpa. Sie schüttelt den Kopf und wirft Ayse einen entschuldigenden Blick zu. »Er lässt sich manchmal richtig mitreißen von dem, was manche Leute in Sandelenbach so sagen.«
    »Sandelenbach?« Hat Ayse die Frau falsch verstanden?
    »Sandelenbach.« Sirpa zeigt in die Richtung der kleinen Stadt am Meer. »Da bist du doch gewesen?«
    Ayse begreift. »Ach ja, natürlich, die Stadt.« Sie erinnert sich dunkel, irgendwo unterwegs ein Schild gesehen zu haben, auf dem irgendsowas gestanden hat. »Und das Wasserdorf der Runji, hat das auch einen Namen?«
    »Ach«, brummt Sirpa, »das nenne wir von alters her die Terrassen. So wurden die Anlegeplätze der Runji früher genannt, weil sie dort immer für kurze Zeit eine Reihe von Flößen festgemacht haben. Da haben sie mit ihren breiten, flachen Flussbooten angelegt, und das sah dann aus wie Terrassen auf dem Wasser. Aber was sie jetzt haben, kann man nicht mehr Terrassen nennen, das sind Straßen und Plätze und komplette Häuser. Jetzt fahren sie auch nicht mehr herum. Sie fahren nur noch raus, um Fische zu fangen. Nein, da geht kein Runji mehr weg, das kannst du mir glauben.«
    »Was ist denn daran so schlimm?«, fragt Ayse in aller Unschuld. Die anderen sehen sie verblüfft an.
    »Die gehören da nicht hin!«, schnaubt Thorje. »Die müssen weg!«
    »Na ja«, versucht ihn Sirpa zu besänftigen. »An den Ufern unserer Flüsse hat es immer Runji gegeben, und das war nicht weiter schlimm. Sie haben mit Waren gehandelt und Dinge angeboten, die die Menschen hier nicht hatten. Nach einer Weile sind sie dann weitergezogen, um anderswo ihre Waren und Dienste anzubieten. So ist das immer schon gewesen. Nur – und frag mich nicht warum – diese Runji, die sich jetzt hier niedergelassen haben, die wollen aus irgendeinem Grund nicht mehr weg. Sie haben das Rumreisen satt. Anfangs war es nur ein kleiner Haufen, aber im Lauf der Jahre sind immer mehr dazugekommen, und jetzt ist daraus ein komplettes Dorf geworden. Und das gefällt uns nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Weil sie unsere Flüsse leer fischen«, sagt Thorje zornig.
    »Nicht unsere Flüsse«, erwidert Sirpa und streicht ihrem Sohn über das dunkle Haar. »Früher waren die Runji tatsächlich Süßwasserfischer, und das wären sie besser auch geblieben. Doch inzwischen haben sie ihre Boote zu seetüchtigen Schaluppen umgebaut, und wer würde mehr von Wasser und Fischerei verstehen als die Runji? Sie lachen unsere Fischer mit ihren plumpen Salzländerbooten nur aus. Die Runji sind viel wendiger.« Sirpa seufzt. »Sie sind schnell, sie sind schlau, sie fahren abends raus und kommen tief in der Nacht mit vollen Netzen zurück, wenn unsere Fischer noch nicht einmal aufgebrochen sind. Die einzige Lösung wäre die, dass unsere Fischer es den Runji nachmachen, doch das wollen sie nicht. Sie sind stolz auf ihre Traditionen und Gewohnheiten. Sie finden, dass die Runji einfach wegziehen und das Binnenmeer den Salzländern von Sandelenbach überlassen sollten.« Sirpa wirft Ayse einen verwunderten Blick zu. »Warum findest du das alles so interessant?«
    Ayse zuckt beiläufig mit den Schultern und versucht, ein gleichgültiges Gesicht zu machen. »Ach … nur so. Wir, hm … wir ziehen auch durch die Gegend, genau wie die Runji.« Sie lächelt unbestimmt. »Mit der Wanderbühne, von der Tio erzählt hat. Wir kommen immer wieder in andere Gegenden, und überall ist es anders.«
    »Hm«, macht Sirpa nachdenklich. Dann stellt sie den Besen, den sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hat, zur Seite und wischt sich die Hände an ihrer langen braunen Bluse ab. »Hast du vielleicht Lust auf

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