Zwischenwelten (German Edition)
Reichtum verfügen kann«, meint Micky. »Vielleicht kriegt er ganz schlicht jede Woche nur ein popelig kleines Taschengeld. Und jetzt hat er dein Geld benutzt, um sich ein paar Kumpel zu kaufen. Ich könnte meinen Kopf drauf wetten, dass es so abgelaufen ist: Er klaut dein Geld, stolziert aufgeblasen damit herum, du weißt schon, ein bisschen prassen, bisschen spendieren, da und dort was ausgeben, und dann bleiben ganz von selbst ein paar miese Typen an dir hängen.«
Tios und Kivans Blicke treffen sich. Der Junge sagt etwas zu seinen Freuden, worauf die sich ohne übertriebene Eile aus ihrer trägen Haltung lösen.
»Ich fürchte, dass du recht hast.« Tio schaut schnell hinter sich. »Und ich fürchte, dass der einzige Ausweg der Rückzug ist.«
»Hm.« Micky ist mit ihm einer Meinung. »Langsam zurück, nicht zu auffällig. Wir rennen nicht gleich los, okay? Wir sind keine ängstlichen Hosenscheißer … aber wir lassen uns auch nicht wieder ausrauben.« Sie gibt ihm einen ordentlichen Stoß.
»Ich sterbe lieber, als dass ich mir noch einmal Hunderte von Khansi von ihm klauen lasse!«
»Na, dann komm!« Micky greift nach Tios Jacke, und dann ziehen sie es doch vor loszurennen.
Die drei Jungen nehmen sofort die Verfolgung auf.
Als Tio und Micky wieder unter Menschen sind, mitten in der Stadt, wo auf Brücken und Plätzen viel Betrieb ist, werden sie langsamer.
Tio fasst die Riemen seines Rucksacks fester. »Die werden uns doch nicht vor den Augen all der Leute hier zusammenschlagen?«
»Wohl kaum. Aber pass auf deinen Rucksack auf. Sie sind dicht hinter uns.«
Die Augen fest auf die Stege und Brücken vor ihnen gerichtet, gehen sie ruhig weiter. Sie verständigen sich nur in kurzen Sätzen.
»Wohin?«
»Nach rechts.«
»Und jetzt?«
»Über die Brücke.«
Nach einer Weile murmelt Micky erschrocken: »Von hier aus kommst du nur noch auf die Anleger!«
»Oder umdrehen und zurück«, schlägt Tio vor.
»Und ihnen direkt in die Arme laufen? Sieh dich mal um, hier sind kaum noch Menschen, da können sie uns gut in die Mangel nehmen, und wenn sie flink sind, bist du deinen Rucksack im Nu los.«
»Dann weiter.« Tio beißt die Zähne zusammen und stiefelt mit großen Schritten über den Anleger, wo viele Boote vertäut liegen, die meisten aus Sandbach. Aber auf den wenigsten Decks sind Leute, und je weiter sie laufen, desto stiller wird es auf dem Wasser. »Ich glaub nicht, dass das schlau war. Fällt dir nicht was Besseres ein?«
»Schwimmen?«
»Mit all den schweren Münzen auf dem Rücken? Und ich hab keine Lust, nass zu werden.«
»Ein Boot klauen?«, ist Mickys verzweifelter Vorschlag.
Da bleibt Tio plötzlich stehen. »Warte mal!« Er fängt an zu strahlen.
Micky will lieber nicht stehen bleiben. Sie blickt sich schnell um. Die drei Jungen sind ihnen dicht auf den Fersen. »Lauf weiter!«
»Der Kahn da.« Tio zeigt nach vorne. »Siehst du die blau-rote Schrottkiste? Das ist das Boot von Valpa. Komm, los!« Voller Schwung rennt er darauf zu. Sein Gesicht ist vor Freude ganz rot, als er den alten Fischer auf dem Boot entdeckt. »Valpa!«
»He, grüß dich, du Lümmel. Alles klar? Was keuchst du so, und wo ist deine Schwester? Und wer ist das?«
»Das ist Micky. Sagen Sie, Valpa, warum liegen Sie noch hier? Sie sind spät dran. Meistens fahren Sie doch schon gegen vier Uhr zurück.«
»Ich warte auf eine späte Passagierin.«
»Können wir mit Ihnen fahren?«, fragt Tio. Nicht dass er wirklich zurück nach Sandbach will, doch sie können natürlich so tun als ob, bis die verdammten Kerle aufgeben und sich verziehen. Er wirft einen Blick auf die drei Jungs, die nun dicht herangekommen sind und unschlüssig stehen bleiben. »Gegen Bezahlung natürlich.«
Valpa zuckt mit den Schultern und beugt sich über die Reling. »Ihr alle fünf?«
»Die drei gehören nicht zu uns«, sagt Tio hastig.
»Dann klettert mal an Bord«, brummt Valpa. »Aber wir fahren nicht ab, bevor meine Kundin nicht von ihrer Verabredung zurück ist. Sie hat im Voraus bezahlt.«
»Oh, das macht nichts.« Micky grinst und läuft schon über die wacklige Planke. »Wir haben’s nicht eilig.«
Valpa mustert die drei zurückgebliebenen Kerle, die nicht recht zu wissen scheinen, was sie tun sollen. »Und was ist mit dem Gesindel da? Bist du sicher, dass ihr nicht zusammengehört?«
»Das können Sie vergessen!« Tio schnaubt.
Valpa kneift die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Aber … ist das nicht der Junge …
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