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Zwischenwelten (German Edition)

Zwischenwelten (German Edition)

Titel: Zwischenwelten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mariëtte Aerts
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auf dem stillen Anleger am Wasser, wo gestern Valpas Boot festgemacht hatte. Er seufzt bedrückt. Nun muss er wieder in das unbewohnte Sandbach und noch einmal die Kassen plündern.
    Lustlos rappelt er sich auf. Zum Glück befindet er sich bereits am Rand der Stadt, ganz in der Nähe des Weges nach Sandbach. Wenn er einen Schritt zulegt, kann er in einer halben Stunde wieder in der alten Herberge Micky gegenübersitzen.
    Mit einem Gesicht wie drei Tage Regenwetter legt er die Strecke von Terrasse nach Sandbach zurück, die ihm heute viele Kilometer länger vorkommt. Tio kann sich nicht erinnern, sich schon jemals so schlapp gefühlt zu haben und gleichzeitig so voller Wut. »Dieser Scheißkerl!«, faucht er den Weg vor sich an. »Den krieg ich noch, ich lauer ihm auf und schlag ihn zusammen!« Es ist glatter Unsinn, was er da sagt, und das ist ihm auch klar. Er hat bei Schlägereien noch nie gut abgeschnitten. Wahrscheinlich ist er einfach nicht gemein genug, nicht hart genug, um koste es, was es wolle, zu gewinnen. Und deshalb hat er gegen einen Jungen wie Kivan keine Chance. Ob Micky ein Mädchen ist, das austeilen kann?
    Das ist es auch, was er sie als Erstes fragt, sobald er sie sieht. »Kannst du so richtig gemein sein?«
    Micky sitzt auf der Terrasse der Kneipe am Hafen. »Ich fange eigentlich immer mit ›Hallo‹ an.«
    »Ja, hallo«, sagt Tio und zuckt mit den Schultern. »Kannst du dich prügeln?«
    »Willst du was trinken?« Micky zeigt auf ein paar Flaschen, die auf dem Tisch stehen.
    »Ja, gerne, aber meinst du, dass du gegen einen gemeinen Scheißkerl von vierzehn gewinnen kannst?«
    »Setz dich.« Micky lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.
    Tio macht eine Flasche auf.
    »Feldbeerensaft, fast nirgendwo mehr zu kriegen. Sag mal, wo ist deine Freundin?« Micky beugt sich vor.
    Tio nimmt einen großen Schluck Saft und erzählt ihr dann die ganze Geschichte. »Und das Geld ist weg«, sagt er am Ende kläglich.
    »Na ja, das ist ja nicht so furchtbar schlimm, aber es ist voll blöd, dass Ayse jetzt noch einen Tag länger sitzen muss.«
    »Wieso nicht so schlimm? Jetzt kann ich wieder ganz von vorn anfangen, die Kassen abzuklappern, um …«
    Micky lacht laut auf.
    Tio schweigt verdutzt. Was gibt es da zu lachen?
    »Du mit deinen Kassen, Dummkopf.« Das Mädchen schüttelt ihren Kopf mit den orangefarbenen Haaren. »Bist du denn noch nicht an der Geldwechselstube vorbeigekommen? Sie liegt in den Straßen hier hinter uns.« Sie zeigt mit dem Daumen über die Schulter.
    Tio trinkt noch ein paar Schlucke von seinem teuren Feldbeerensaft und gibt sich größte Mühe, nicht allzu dämlich auszusehen. Eine Geldwechselstube! Und da laufen er und Ayse in aller Gemütsruhe dran vorbei! »Heißt das, dass du da jede Menge Geld auf einmal holen kannst?«
    Micky nickt. Wenn sie lacht, hat sie Grübchen in den Wangen.
    »Aber liegt das Geld nicht in einem Tresor oder so?«
    »Ja, schon. Aber der Schlüssel zum Tresor hängt hinter dem rechten Schalter.« Micky nimmt noch einen großen Schluck und rülpst zufrieden. »Wie viel brauchst du? Ein paar Tausend Khansi? Sag’s mir, und ich hole sie für dich. Oder weißt du was, wir gehen kurz zusammen da vorbei. Ich wollte sowieso zurück zur alten Herberge, um was zu essen zu machen.«
    Die Wächterin gibt Ayse einem Stoß.
    Ayse stolpert über einen Teppich und muss ein paar große unsichere Schritte machen. Eigentlich will sie sich noch zu der unfreundlichen Frau umdrehen, um sie zu beschimpfen, doch die Tür ist bereits mit einem Knall zugeschlagen. Sie schaut auf die dunklen Wände des kleine Raums, in dem sie steht. Es gibt zwei runde Fenster, die wie Bullaugen aussehen. Eine freundliche Frauenstimme lässt sie zusammenfahren.
    Hinter einem schweren Schreibtisch aus Holz bemerkt sie eine kleine Frau. Auf dem Tisch liegen große Papierstapel und aller mögliche Krimskrams, über den hinweg die Frau ihr entgegenschaut und sie anlächelt, eine Unzahl kleiner Fältchen im Gesicht. Sie wiederholt ihre Frage.
    Ayse verzieht trotzig den Mund. Die Worte der Frau klingen wie das Gezwitscher eines Vogels, und Ayse versteht sie nicht. »Ich kapiere gar nichts. Ich spreche kein Runji.«
    »Ah, Salzländerin, was?«
    »Nein«, knurrt Ayse. Aber die Frau schaut sie weiterhin freundlich an, und Ayse kommt sich plötzlich wie ein ungehobelter Klotz vor. Sie tritt ein paar Schritte näher, bis sie vor dem Schreibtisch steht. »Wer sind Sie?«
    »Ika, Maile-Glan«, sagt die Frau und

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