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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Natanael.«
    »Hoffnungsvoller Natanael sollten Sie sagen.«
    »Wenn uns auch dein Umgang gelegentlich schmerzt, so setzen wir doch nicht geringe Hoffnungen auf dich! Rabbi Schebulon hat deine ungewöhnliche analytische Begabung, deinen selbstlosen Enthusiasmus, deinen fleckenlosen Lebenswandel und deinen tiefen Glauben mehrfach feststellen dürfen.«
    »Tiefer Glaube, welch abgegriffener Ausdruck! Da hätten Sie wenigstens das Adjektiv »bodenlos« einfügen sollen, das klingt bedeutungsschwerer. Übrigens liegt diese Feststellung weit zurück. Heute vermag Rabbi Schebulon bestenfalls festzustellen, ob er roten oder weißen Wein trinkt; genauer differenzieren kann er nicht mehr.«
    Natanael strengte sich sehr an, um vor Amos zu verheimlichen, wie sehr ihn Philipps Attacken amüsierten.
    Philipp fuhr fort: »Außerdem fiel es bisher nie auf, daß unsere werte Geistlichkeit dich als kommende Leuchte der Synagoge schätzt, Nat. Ich gratuliere.«
    »Man muß nicht immer mit offenen Karten spielen. Aber wir haben unsere Ohren überall«, sagte Amos drohend. »Wir auch, ob Sie's glauben oder nicht, und zwar manchmal sehr empfindliche. Heute beispielsweise ertragen unsere Ohren es nicht mehr, wenn unser Rabbi Jesus von Ihnen mit Dreck beworfen wird.«
    »Von mir? Aber das tut er doch selber, mit wem zieht er denn durch die Lande?«
    »Mit Ihnen gottlob nicht, aber mit uns. Setzen Sie uns also auch auf Ihre schwarze Liste, aber schreiben Sie Philipp richtig, mit doppelten P am Schluß. Komm, Nat!« Philipp faßte den Freund am Arm und nahm ihn mit zum Haus des Levi. Bevor er die Tür zum hellerleuchteten, lärmerfüllten Saal auf stieß, bemerkte Philipp: »Diesem Amos gehört der Hintern versohlt.« Natanael der Sanfte sprach: »Das nächste Mal, Philipp.« Da wurden sie schon mit lautem Hallo begrüßt.
    Entrüstet, aber auch wütend auf sich selber, wandte sich Am os zur dunklen Gasse zurück. Kein einziges Soldatenliebchen wartete heute auf Kundschaft. Waren sie alle bei Levi eingeladen? Mit seinem Freund Natanael. Wenn Gott da nicht einschreitet, muß es die Behörde tun. Amos lehnte sich an die Mauer und holte sich Trost beim Psalmisten:
    »Laß nicht zu, daß mein Herz sich zum Bösen neigt,
    daß ich ruchlose Frevel vollbringe!
    Mit den Menschen, die Böses tun,
    will ich nicht essen von ihren üppigen Speisen.
    Vor der Schlinge, die sie mir legen, bewahre mich,
    und vor der Falle der Frevler!
    Fangen sollen sie sich im eigenen Netz,
    während ich heil entkomme.«

    *

    Die Vorgesetzte Behörde reagierte ungewöhnlich schnell. Noch türmten sich in Levis Küche die unabgewaschenen Teller, Töpfe und Schüsseln, noch hatte man den Hof nicht mit dem Besen von den Abfällen und Glasscherben gereinigt, noch schnarchte der letzte Gast auf der Mistkarre seinen Rausch aus, da erschien ein Bote der Zoll- und Steuerbehörde, um Levi auf das Amt zu holen.
    Der düstere Blick des Vorgesetzten verhieß nichts Gutes. Zunächst sagte er gar nichts, klopfte nur hart mit dem Zeigefinger auf die Tischplatte, um Levi nervös zu machen. Endlich begann er das Verhör.
    »Oberzöllner Levi, Ihr Verhalten wächst sich zu einem Skandal aus.«
    »Nicht das erste Mal«, entgegnete Levi mit Gleichmut. »Die
    Leute haben stets ihren Schnabel an meinem Verhalten gewetzt.«
    »Dieses Mal völlig zu Recht.«
    »Früher auch, Herr Amtsvorstand.«
    »Levi, Sie sind unbelehrbar wie eh und je. Ihre persönlichen Sympathien sind selbstverständlich Ihre Privatsache.«
    »Das meine ich auch.« Levi griff nach dem Hut. »Darf ich jetzt gehen?«
    »Ich bin noch nicht fertig. Also, Ihre persönlichen Sympathien für diesen oder jenen Rabbi...«
    »Nur für diesen einen. Die anderen mag ich nicht.«
    »Ich ersuche Sie höflichst, mich nicht zu unterbrechen«, sagte der Vorgesetzte scharf. »Ein drittes Mal: Ihre persönlichen Sympathien sind Ihre Privatsache, solange sie nicht das Ansehen unseres ganzen Berufsstandes gefährden.«
    »Es dürfte auch Ihnen, Herr Vorstand, nicht entgangen sein«, sagte Levi süffisant, »daß dieses Ansehen längst ruiniert ist.«
    »In gewisser Weise ja, aber nicht in der Weise, wie Sie es durch ihr gestriges Gastmahl ruinieren — Orgie wäre übrigens der treffendere Ausdruck.«
    Levis Ruhe blieb unerschütterlich. »Wie viele Ausschweifungen hat denn Ihr Spitzel notiert?«
    »Lassen wir mögliche Ausschweifungen vorerst außer Betracht. Die Gästeliste genügt, Levi. Was sich da an zwielichtigem und arbeitsscheuem

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