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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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bereits verlassen haben.«
    »Das wird sich zeigen. Kommst du mit?« Natanael sagte ja, auch wenn es ihm schwerfiel. Ausgelassene Lustbarkeiten verabscheute er grundsätzlich. Doch er hatte an Philipp etwas gutzumachen, und so ging er mit.

Der Pharisäer und der Zöllner

    Zum Hause des Levi war es nicht weit; es lag unweit der Zollstation, wo jeder durchreisende Kaufmann und Händler seine Waren kontrollieren lassen und eine Gebühr entrichten mußte, deren Höhe der Zöllner eigenmächtig festsetzen durfte. Daß er dabei weniger an die Staatsfinanzen als an den eigenen Beutel dachte, wundert niemand.
    Von weitem schon hörte man Lärm und Gelächter. Offenbar hatte Levi das Gelage in den Hof seines umfangreichen Besitzes verlegt, um möglichst viele Gäste bewirten zu können. Als sich die beiden Freunde dem Tor näherten, löste sich aus dem Schatten der Mauer eine hagere Gestalt, Arnos, der junge Pharisäer, und stellte sich den beiden mit drohender Gebärde in den Weg, bis er Natanael erkannte. »Natanael, du?« fragte er verwundert. »Was hat ein Mann wie du da drin zu suchen?«
    Für den Freund, der betreten schwieg, antwortete Philipp: »Wir suchen Jesus.«
    Amos streifte Philipp mit einem geringschätzigen Blick und wandte sich wieder Natanael zu: »Seit wann gehörst auch du zum Anhang dieses Menschen?«
    »Seit Jesus ihn überzeugt hat, daß er der Messias ist«, entgegnete wiederum Philipp. »Paßt Ihnen das nicht?«
    »Die Antwort erübrigt sich. Ich war eine Zeitlang selber in Gefahr, ihn zwar nicht für den Messias, aber wenigstens für einen Propheten wie Johannes zu halten, obwohl er über uns Pharisäer nicht eben schmeichelhafte Urteile fällt. Doch was er sich heute abend leistet, würde sich der Messias niemals leisten. Weißt du, mit wem er zu Tische sitzt? Mit dem letzten Abschaum von Kapharnaum und Betsaida. Und er scheint es in dieser Gesellschaft lange auszuhalten.« Endlich sagte Natanael auch etwas: »Levi lud die Leute ein, nicht er.«
    »Dieser Levi muß den Verstand verloren haben«, ereiferte sich Amos. »Er ist zwar nicht der Allerschlimmste seiner Zunft, aber doch ein Beutelschneider erster Klasse. Und jetzt wirft er das Geld, das er armen Händlern abgepreßt hat, buchstäblich zum Fenster hinaus — nur weil der Nazarener sein hartes Herz erweicht und ihm gesagt hat: Folge mir!«
    »Amos«, sagte Philipp ernst, »vielleicht würden Sie unter solchen Umständen auch ein Festmahl halten.«
    »Mit meinen Freunden, ja. Aber nicht mit Gesindel wie dem da drinnen.« Er zeigte mit dem Daumen hinter sich. »Es sind halt Levis Freunde; vielleicht nicht nach Ihrem Geschmack. Aber jeder hat das Recht, sich seine Freunde auszusuchen. Stimmt's, Nat?« Und Philipp schlug Natanael herzlich auf die Schulter.
    »Jesus hätte jedenfalls das Fest schleunigst verlassen müssen, aus Rücksicht auf seinen Ruf«, ereiferte sich Amos von neuem. »Soll ich aufzählen, welche übelbeleumundete Personen an Levis Tischen sitzen?«
    »Übelbeleumundet«, äffte Philipp Amos nach, »das klingt wirklich besorgniserregend. Hoffentlich fallen wir nie in diese Kategorie, Nat. Aber woher haben Sie Ihre Informationen?«
    »Man macht sich seine Notizen, junger Mann, über die Leute und über die Reden, die bis auf die Straße dringen. Es darf uns nicht gleichgültig sein, welche Anhängerschaft sich um den Nazarener schart. Die ersten waren Fischer, ungebildet, aber hochanständig, nichts dagegen einzuwenden...«
    »Zu denen gehören wir auch, verehrter Meister.«
    »Ist mir bekannt. Doch jetzt wirbt er um Subjekte wie den schielenden Esra, um Hehler wie den dreimal vorbestraften Mordechai, Kerle, denen die Falschheit aus den Augen trieft, dazu das ganze Zöllnerpack und schamlose Weiber wie die Nobeldirne aus Magdala.«
    »Keine Damen beleidigen, Amos! Schamlos war sie, ja, doch Jesus hat sie anständig gemacht. Alle sieben Dämonen, von denen sie besessen war, hat er verjagt.«
    »Die sieben mal sieben Männer, die sie besessen haben, auch?« Amos meckerte boshaft. »Warten wir ab, bis die Dame ihren ersten Rückfall erleidet. Natanael, das ist keine Gesellschaft für Sie!«
    »Nun regen Sie sich mal ab, lieber Amos«, sagte Philipp, »durch den Umgang mit einem minderwertigen Mischling wie mir ist Natanael einiges an Verworfenheit gewohnt.«
    »Junger Mann«, sagte Amos, mühsam beherrscht, »Sie charakterisieren sich genauer, als Ihr boshaftester Feind es je könnte. Doch nun zu dir,

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