Zwölf im Netz
Publikum unter Ihrem Dach versammelt hat...«
»... möchten Sie am liebsten ins Kittchen stecken, ich weiß, zumal Leute darunter waren, die wenig oder gar keine Steuern zahlen.«
»Levi, so kommen wir nicht weiter.« Wieder klopfte der Vorgesetzte auf die Tischplatte, während sich Levi unter dem Tisch die Fingernägel reinigte.
»Sehen Sie, verehrter Kollege«, begann der Amtsvorstand um eine Spur freundlicher, »Stimmungen überfallen jeden mal. Wahrscheinlich erlebten Sie gerade eine depressive Phase — kein Wunder bei der Zahlungsmoral unserer Bürger — und glaubten, eine Aufputschung nötig zu haben. So was kann man verstehen und verzeihen. Sie kennen ja auch den alten Schlager:
Eine Dummheit in der Nacht hat jeder schon gemacht.
Aber daß Sie jetzt noch, am hellichten Vormittag und in offensichtlich ernüchtertem Zustand Ihre verwerfliche Handlungsweise verteidigen, gibt mir Anlaß zu tiefster Besorgnis. Sie scheinen nicht zu ahnen, worauf Sie sich einlassen. Dieser junge Rabbi aus Nazareth, der Ihnen maßlos sympathisch ist, bringt — wenn er so weitermacht — sämtliche Autoritäten gegen sich auf. Pharisäer, Sadduzäer, Schriftgelehrte, alle sammeln belastendes Material gegen ihn. Und die Römer lassen auch nicht mit sich spaßen, wenn sie merken, welche Unruhe in Galiläa sich breitmacht. Aber vielleicht versprach er Ihnen einen lukrativen Posten in seinem kommenden Reich?«
Eine Weile wartete er auf Antwort; da Levi keine gab, sprach er weiter: »Wäre dem so, hätten Sie klüger handeln müssen. Unternehmungen wie seine sind ohne Kapitalhilfe zum Mißerfolg verdammt. Hätten Sie ihm wenigstens Ihr Vermögen angeboten, das wäre konsequent gewesen. Doch was tun Sie zum Entsetzen aller Steuerzahler? Sie verschleudern es, Sie verprassen es sinnlos für eine Schlemmermahlzeit...«
»Für eine Orgie, Herr Vorstand.«
»Und laden dazu die allermiesesten Typen des ganzen Steuerbezirks ein, Personen, auf die Sie bisher nur herunterspuckten.«
»Das hätte ich nie tun dürfen, es tut mir aufrichtig leid.«
»Verschonen Sie mich gefälligst mit Ihren zweideutigen Sprüchen. Offenkundig färbt der neue Umgang auf Sie ab. Da war dieser Johannes, der am Jordan taufte, von respektablerem Format. Der führte ein asketisches Leben, tat Buße, fastete in vorbildlicher Weise, und seine Jünger genauso. Dieser Nazarener aber schmaust und zecht, als gelte es jeden Tag Hochzeit zu feiern, als sei er selber der Bräutigam. Wie soll sich unsere Jugend an ihm ein Vorbild nehmen?
Geben Sie's doch endlich zu, verehrter Kollege, ein gottgesandter Prophet kann das nicht sein.«
»Unsere Behörden haben den Johannes auch bekämpft. Seit wann ist sein Kurswert in gesetzesfrommen Kreisen gestiegen? Seit er im Gefängnis des Herodes sitzt und man ihn als möglichen Märtyrer ausgezeichnet vermarkten kann.«
Der Vorgesetzte, durch Levis scharfe Worte scheu gemacht, lenkte ein. »Den guten Willen hat man Johannes niemals abgesprochen, auch wenn man den Stil seiner Predigten für überzogen hielt. Doch bleiben wir bei Jesus.«
»Ich bleibe gern bei ihm«, erwiderte Levi fröhlich.
»Sie drehen mir schon wieder das Wort im Munde um. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, beim gottgesandten Propheten. Also, meines Erachtens kann der Nazarener niemals ein solcher sein. Ein Gottgesandter wendet sich an Fromme und Gerechte.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Jedenfalls nicht an Herumtreiber, Taugenichtse, Dirnen.«
»Und Zöllner. Sprechen Sie's nur ruhig aus! Ich weiß schon, daß Sie damit nur uns niedere Kollegen und nicht die ehrenwerten Herren in der Vorstandsetage meinen.«
»Ich wollte Sie nicht beleidigen, Levi.«
»Das können Sie auch gar nicht mehr, seit Jesus unsere sündige Würde entdeckt hat. Er beteuert immer wieder, nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Er kommt nicht, Gerechte zu berufen, sondern Sünder. Ist das deutlich genug für Sie?«
»Überdeutlich. Und zu welcher Kategorie rechnen Sie sich?«
»Nicht zu den Gesunden und Gerechten.«
»Ich rechne Sie zu den Narren, verehrter Kollege. Und werde mich nicht wundern, wenn sie vor lauter Freude über ihren Jesus die Zollstätte zu Kleinholz zerhacken.«
»Sie bringen mich da auf eine gute Idee.«
Der Vorgesetzte gab es auf. »Sie sind Ihrer Sache sehr sicher, Levi.«
Levi sprach ernst: »Nicht meiner Sache, der Sache Jesu, Herr Vorstand.«
Der Kurze und seine Posaune
Zwei Wochen lang waren sie elf, mit dem Meister
Weitere Kostenlose Bücher