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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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Schritte tun muß wie ich. Und mit wie wenig Trinken er auskommt — der reinste Wüstenkaktus. Wie sich ein Zöllner so mausern kann, vom windigen Diener des Mammons zum stürmischen Künder des Gottesreichs!«
    »Und das meinst du völlig ernst? Ohne skeptischen Unterton?« fragte Natanael.
    »Ohne«, erwiderte Thomas, »ausnahmsweise.«
    Eine halbe Stunde später erschien Levi am Lagerplatz, begrüßte alle herzlich und wunderte sich, um wieviel respektvoller sie ihn behandelten als früher. Und er hatte erwartet, sie würden ein vergnügtes Gelächter anstimmen, wenn sie die Folgen seiner Schlankheitstour erblickten, von der sonnenverbrannten Glatze über den verschwundenen Bauch bis zu den angeschwollenen Füßen.
    »He, Levi, wie war's denn so mit Thomas zusammen?« fragte Philipp und setzte sich nahe zu ihm ; die anderen rückten nach.
    »Ehrlich gesagt, die Zusammenstellung behagte mir gar nicht. Ausgerechnet mit dem langen Kerl sollte ich die Reise machen. Überall würden die Kinder schreien: >Dick und Doof>, und das wäre ja nicht für mich beleidigend, sondern für ihn. Aber so schlimm wurde es nicht.«
    »Du siehst blendend aus, hoffentlich hast du mit dem Fett nicht auch die Gemütlichkeit eingebüßt. Thomas ist dir wohl immer davongerannt — und du keuchend hinter ihm her.«
    »Das möchte euch so passen. Nein, nein, der gute Junge hat an jeder Ecke geduldig auf mich gewartet, und die bequemsten Wege ausgesucht, damit ich nicht außer Puste gerate.«
    »Das wäre jammerschade gewesen, wo du dich zu dem begehrtesten Kanzelredner von Palästina entwickelt hast. Dein Name genügt — und die Massen strömen zusammen.«
    »Danke für das faule Kompliment!« Levi lachte herzlich. »Aber das Reden fiel mir nie schwer. Vor meinem Mundwerk zitterten schon die Lehrer in der Schule, und später gewöhnte ich es durch hartes Training meiner Frau ab, stets das letzte Wort zu haben. Nur vor vielen Leuten hatte ich noch nie gesprochen. Aber da erging es mir, wie uns der Meister vorausgesagt hat, mir half jemand, die Gedanken zu packen und in Sätze zu schnüren. Ich wußte zunächst nicht, wie ich anfangen sollte. Doch da flogen mir Gedanken zu, ich brauchte sie nur zu packen und in leicht faßliche Sätze umzuwandeln. Es muß der Geist Gottes gewesen sein, der mir half. Fragt den Thomas, der erklärt euch das viel besser; dem erging es genauso.«
    »Ihr habt euch prima zusammengerauft.«
    »Ohne zu raufen. Anfangs hatte ich Angst vor seiner Schläue. Er spürt jede Schwäche, jede Ungenauigkeit, jede Fragwürdigkeit auf. Doch gerade einen solchen Gefährten brauche ich. In welche Torheiten wäre ich sonst hineingestolpert. Zum Beispiel, wenn sich Kranke um uns drängten. Mit seinem kritischen Blick fand er sofort heraus, was den Leuten fehlte, beziehungsweise ob ihnen überhaupt etwas fehlte. Manche verstellten sich auch, um uns nachher lächerlich zu machen. Mein Thomas fällt auf solche Tricks nicht herein. Das erklärt auch seine erstaunlichen Heilerfolge.«
    »Heilerfolge? Der helle Wahn«, rief Andreas, »er hat es uns anders berichtet.«
    »Der stellt sein Licht gerne unter den Scheffel«, sagte Levi.
    »Von der Seite kennen wir ihn gar nicht.«
    »Dann wandere du das nächste Mal mit ihm. Einen besseren Kameraden findest du nicht. Gerade auch in den Stunden, wenn man zu zweit ist. Am Abend, draußen im Freien, wo wir oft übernachten mußten. Ein Genuß, ihm zuzuhören. An Problemen fehlt es ihm nie, und wie er sie darstellt, durchleuchtet, formuliert, ein Naturtalent, sag ich euch. Und so was kommt aus eurem Fischernest. Seid ihr etwa alle unentdeckte Genies? Dann werdet ihr ja eines Tages die Welt in Staunen versetzen.«
    »Du kannst uns ja mal entdecken, Levi«, rief Philipp.
    »Vor allem seine Ideen über das Reich des Messias, ich meine seine Ideen, wie wir die Ideen des Meisters in die Tat umsetzen können. Jede Einzelheit sorgfältig durchdacht, jede Möglichkeit einkalkuliert. Ich sagte zu ihm, er solle das mi t uns allen besprechen, aber er will noch warten, bis alles ausgereift ist. Ich weiß ja nicht, welches Amt ihm der Meister übertragen wird, in seinen Krisenstab sollte er ihn auf jeden Fall berufen.«
    »He, Thomas, wir haben einen tollen Posten für dich«, sagte Andreas, »du kommst in den Krisenstab des Messias.«
    »Den rüttelst du vergebens«, meinte Natanael, »der schläft den Schlaf des Gerechten.«
    »Kein Wunder«, sagte Levi, »ein Schulausflug war die apostolische Probefahrt

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