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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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gehen? Er allein hat Worte des ewigen Lebens, und wir glauben ja, daß er der Heilige Gottes ist, wenn wir auch das von dem Fleisch essen und Blut trinken nicht verstehen. Ich hab es ihm auch gesagt — und die andern haben stumm genickt bei meinem Bekenntnis.«
    »Das muß ihn gefreut haben. Was hat er geantwortet?«
    »Gefreut?« Simon zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hat es ihn gefreut, doch er sagte nur: Ich habe euch zwölf ausgewählt. Und doch ist einer von euch ein Teufel!«
    »Ein Teufel? Um Himmels willen! Wen hat er da gemeint?«
    »Wen, wen! Bete, daß nicht ich es bin.«
    Erschrocken blickte Lea ihn an. »Du, Simon? Unsinn! Du, sein bester, treuester Freund — wie kannst du nur glauben, daß er diesen fürchterlichen Verdacht gegen dich hegt?«
    »Weil er mich schon einmal so genannt hat«, sagte Simon. »Dich einen Teufel?« fragte sie entsetzt.
    »Satan sogar! Hörst du? — Hebe dich weg von mir, Satan!< hat er gesagt.«
    »Ja, aber wann denn, warum denn?«
    »Weil ich nicht wollte, daß er sich von seinen Feinden fangen und töten läßt.«
    »Natürlich nicht. Das müßt ihr mit allen Mitteln verhindern.
    »Ja eben, aber er will es nicht! Und darum nannte er mich einen Satan. Mein Gott, wenige Tage zuvor, bei Cäsarea Philippi, da hat er mich seliggepriesen, da wollte er mir die Schlüssel seines Reiches übergeben, da vertraute er mir sogar Vollmachten auf Erden an, die auch im Himmel gelten sollen — und dann: Satan, hebe dich hinweg! Und: Einer von euch ist ein Teufel! Wie soll man das verstehen? Das macht einen ganz fertig.«
    Lea strich ihm über die Schulter und wollte ihn trösten. »Ich begreife gar nicht, wie ein so guter Mensch so böse Worte gebrauchen kann, und noch dazu seinem besten Freund gegenüber.«
    »Du kennst nur den liebevollen, gütigen Heiland. Wir aber erleben auch den zornglühenden, unerbittlichen Propheten und erschrecken vor seinen Forderungen und Weherufen. Bald glaube ich ihn völlig zu verstehen, bald habe ich Angst, einem grausamen Mißverständnis zu erliegen. Und dann möchte ich fortlaufen, wäre da nicht der erste Tag, der erste Blick, das erste Wort an mich: Komm und folge mir nach! Und wäre da nicht meine Liebe zu ihm, eine Liebe, wie ich sie nie erlebt hatte. Ich meine, so wie ich Jesus liebe, müßte man Gott lieben.«
    »Du meinst also auf geistige Art?«
    »Was heißt hier: auf geistige Art? Auch das Herz nimmt daran teil, auch die Sinne schalten sich nicht aus. Bin ich nicht dankbar für jedes Wort, das er an mich richtet? Bange ich nicht um sein Leben mehr als um mein eigenes, wenn ich die tückischen Blicke seiner Feinde sehe? Und wenn wir unter dem freien Himmel lagern, im Schutz alter Bäume, das Feuer brennt nieder, und er wünscht uns eine gute Nacht und geht einige Schritte abseits, kniet nieder, um zu beten, dann vergißt er alles um sich, auch uns, das ist wahr — aber wir wissen, daß Gott ihm nahe ist und er Gott, und wenn er Gott nahe ist, sind wir es auch. Wir sind in ihm. Wir schlafen alle längst, wenn er sich niederlegt; trotzdem ist er morgens der zweite auf den Beinen, nach dem Zeloten, und weckt uns auf. Erinnerst du dich an das schöne Morgengebet aus den Psalmen, Lea?
    Du bist mein Herr, mein ganzes Glück bist du!
    Vor deinem Angesicht herrscht Freude in Fülle!
    Sattsehen will ich mich an deiner Gestalt,
    Wenn ich erwache.
    Worte eines Glücklichen, eines Liebenden. Ein Kind mag so ähnlich empfinden, wenn es beim Erwachen das Lachen der Mutter sieht, oder ein Mann, wenn er die geliebte Frau neben sich erblickt. Doch die Augen aufschlagen und Jesus ganz nahe zu sein — da kommst du dir vor wie Adam, als er zum Leben erwachte und Gott ins Antlitz sah.«
    Andächtig hatte Lea zugehört, und andächtig schwieg sie jetzt. Aber auch voller Bewunderung. Welche Fortschritte ihr Schwiegersohn in der Lehre beim Rabbi Jesus machte, zumindest in seiner Art zu sprechen! Aus dem Herzen heraus kamen seine Worte immer, Verstellung fiel ihm schwer, und bei der kleinsten Lüge errötete er wie ein ertapptes Schulkind. Doch diese Art war neu, was er im Herzen empfand, so einprägsam darzustellen, daß sogar eine simple Fischersfrau wie Lea mitempfinden konnte. Das hatte ihm der Meister beigebracht. Durfte man das nicht als einen Beweis seiner Liebe deuten? Lea meinte, ja. Dann grübelte sie, wie sich mit dieser Liebe Jesu heftige Ausfälle gegen ihren Schwiegersohn erklären ließen, und als praktische Frau fand sie rasch die Lösung: Er

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