Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
ordnungsgemäßen Pass in Händen weder Hunger noch Durst leiden. Er musste ihn nur einem Herrn oder Aufseher einer Plantage zeigen und seine Wünsche äußern, dann wurde er zur Küche geschickt und mit Nahrung oder auch Unterkunft versorgt, je nachdem. Der Reisende hielt einfach bei einem Haus und verlangte eine Mahlzeit, genau wie in einem Lokal. Dies ist Brauch in diesem Land. Wo auch immer sie sonst ihre Fehler hatten, ganz sicher waren die Einwohner entlang des Red River und in den Bayous Louisiana nicht ungastlich.
Ich gelangte zu Fords Plantage gegen Ende des Nachmittags und verbrachte den Abend in Elizas Hütte zusammen mit Lawson, Rachel und anderen Bekannten. Als wir Washington verlassen hatten war Eliza rund und plump. Sie war aufrecht gestanden und wirkte mit ihren seidenen Gewändern und Juwelen stark und elegant. Nun war sie gerade noch ein ausgemergelter Schatten ihrer Selbst. Ihr Gesicht war eingefallen und ihr einst gerader und schöner Körper war gebeugt, als ob er das Gewicht von hundert Jahren tragen müsste. Der alte Elisha Berry hätte die Mutter seines Kindes, die gekleidet in den schäbigen Gewändern eines Sklaven hier auf dem Hüttenboden lag, nicht mehr erkannt. Ich habe sie hinterher nie wieder gesehen. Nachdem sie im Baumwollfeld nichts mehr zuwege brachte hat man sie für eine Kleinigkeit an einen Mann, der in der Nähe von Peter Compton wohnte, getauscht. Die Trauer hatte ihr Herz unerbittlich aufgefressen, bis ihre Stärke verschwunden war; und dafür hat sie ihr letzter Herr, so sagt man, gnadenlos ausgepeitscht und misshandelt. Aber auch er konnte weder die aus ihr gefahrene Lebenskraft der Jugend zurückpeitschen, noch diesen gekrümmten Körper wieder zu voller Größe aufrichten – so, wie er war, als ihre Kinder noch bei ihr waren und das Licht der Freiheit auf ihre Wege schien.
Ich habe die Details ihrer Erlösung von dieser Welt von einem von Comptons Sklaven erfahren, der über den Red River zum Bayou gekommen war, um Mrs. Tanner während der "Hauptsaison" zu helfen. Eliza wurde mit der Zeit, so erzählte er, völlig hilflos, lag nur noch auf dem Boden einer verfallenen Hütte und war auf die Gnade der anderen Sklaven für einen gelegentlichen Schluck Wasser und ein Stückchen Brot angewiesen. Ihr Herr hatte ihr nicht "ins Genick geschlagen", wie man es manchmal mit einem leidenden Tier macht, um es zu erlösen – er ließ sie ohne Hilfe und Schutz und wartete einfach, bis ihr Elend und ihre Schmerzen ein natürliches Ende fanden. Als die Sklaven eines Tages von den Feldern zurück kamen fanden sie sie tot vor! Während dieses Tages war der Engel des Herrn, der unsichtbar über die Erde wandert und die verstorbenen Seelen einsammelt, still in ihre Hütte gekommen und hatte sie hinfort genommen. Endlich war sie frei !
Am nächsten Tag rollte ich meine Decke zusammen und machte mich an die Rückkehr zum Big Cane. Nach fünf Meilen, nahe des Orts Huff Power, traf ich den allgegenwärtigen Tibeats auf der Straße. Er wollte wissen, warum ich so früh aufgebrochen sei und ich sagte ihm, dass ich darauf bedacht wäre, ja rechtzeitig zurück zu sein. Daraufhin eröffnete er mir, dass er mich an diesem Tag an Edwin Epps verkauft hatte und ich nur noch bis zur nächsten Plantage gehen müsste. Wir gingen zusammen dorthin und trafen den letztgenannten Gentleman. Dieser untersuchte mich und stellte mir die unter Sklavenhaltern üblichen Fragen. Nachdem ich ordentlich übergeben worden war, musste ich zu den Hütten gehen und wurde gleichzeitig angewiesen, mir eine Hacke und einen Axtstiel herzustellen.
Ich war nun nicht mehr länger im Besitz von Tibeats – sein Hund, sein Vieh, das Tag und Nacht in Angst war vor seinem Zorn und seiner Grausamkeit; und wer immer oder wie immer mein neuer Herr auch war, ich würde diese Veränderung sicher nie bereuen. Es waren also gute Nachrichten, die mich erreichten, und mit einem Seufzer der Erleichterung setzte ich mich das erste Mal in meiner neuen Behausung hin.
Bald danach verschwand Tibeats aus dieser Gegend. Nur noch einmal sah ich ihn hinterher. Aber das war viele Meilen vom Bayou Boeuf entfernt. Er saß auf der Schwelle eines heruntergekommenen Schnapsladens, während ich Teil eines Sklavenzugs in die Pfarrei St. Mary's war.
Kapitel 12
Edwin Epps, von dem hier noch viel die Rede sein wird, ist ein breiter, beleibter, schwerer Mann mit schütterem Haar, hohen Wangenknochen und einer römischen Nase von
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