Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
gewaltigem Ausmaß. Seine Augen sind blau und er misst fast 1.90 Meter. Er hat diesen scharfen, wissbegierigen Ausdruck eines Jockeys, sein Benehmen ist grob und abstoßend und seine Ausdrucksweise lässt schnell und unmissverständlich darauf schließen, dass er nie die Vorteile einer guten Bildung genossen hat. Eine seiner herausragenden Fähigkeiten war die Kunst der Provokation, und darin überragte er sogar den alten Peter Tanner. Zu der Zeit als ich in seinen Besitz überging, hing Edwin Epps an der Flasche und seine exzessiven Trinkgelage dauerten manchmal ganze zwei Wochen. Später änderte er seine Gewohnheiten und als ich ihn verließ war er wohl das abstinenteste Exemplar Mensch im ganzen Bayou Boeuf. Wenn er wieder zu tief ins Glas geschaut hatte war Master Epps ein lärmender, polternder und lauter Kerl, dessen größte Freude es war, seine Nigger tanzen zu lassen und sie mit der langen Peitsche um seinen Hof zu treiben – einfach nur um, sie Kreischen und Schreien zu hören, wenn sich die langen Striemen auf ihrem Rücken formten. Wenn er nüchtern war, agierte er eher ruhig, reserviert und gerissen. Er schlug uns nicht willkürlich, wie in betrunkenem Zustand; dafür konnte man sicher sein, dass das Ende seiner Geißel ganz genau den wunden Punkt eines zu langsam arbeitenden Sklaven traf – eine Fertigkeit, die ihn auszeichnete.
In jüngeren Jahren war er Sklaventreiber und Aufseher gewesen. Nun verfügte er über eine Plantage am Bayou Huff Power, zweieinhalb Meilen von Holmesville, achtzehn von Marksville und zwölf von Cheneyville gelegen. Sie gehörte Joseph B. Roberts, dem Onkel seiner Frau und war an Epps verpachtet. Sein Hauptgeschäft war das Pflanzen von Baumwolle und da viele Leser noch nie ein Baumwollfeld gesehen haben dürften ist es nun wohl angebracht, etwas über deren Anbau und Kultivierung zu erzählen.
Der Boden wird vorbereitet, indem man mit dem Pflug Sohlen und Erhöhungen schafft – man nennt dies "den Boden furchen". Dazu benutzt man Ochsen und Maultiere, hauptsächlich jedoch die letzteren. Diese Arbeit wird von Frauen wie von Männern verrichtet. Sie füttern, striegeln und kümmern sich um die Tiere und erledigen genau die gleiche Feld- und Stallarbeit wie die Pflugburschen im Norden.
Die Sohlen und Erhöhungen sind jeweils von Wasserfurche zu Wasserfurche knapp zwei Meter breit. Dann zieht ein Maultier einen Pflug über die Spitze der Erhöhung oder die Mitte der Sohle und bohrt die Löcher, in die ein Mädchen anschließend die Saat ausbringt. Diese trägt sie wiederum in einer Tasche, die um ihren Hals hängt. Ihr nach folgt erneut ein Pflug mit einer Egge, die die Saat in den Löchern zuschüttet. Man braucht also zwei Maultiere, drei Sklaven und einen Pflug mit einer Egge für eine Reihe Baumwolle. Dies wird in den Monaten März und April erledigt. Mais wird im Februar ausgebracht. Wenn es keinen kalten Regen gibt, sieht man die ersten Anzeichen der Baumwolle innerhalb einer Woche. Acht oder zehn Tage darauf folgt das erste Hacken. Auch diese Arbeit wird, zumindest teilweise, mit Hilfe von Pflug und Maultier durchgeführt. Der Pflug fährt so nah wie möglich an der Baumwolle vorbei und wirft die Furchen auf. Es folgen Sklaven mit ihren Hacken und trennen das Gras von der Baumwolle. Sie hinterlassen Hügel, die etwa siebzig Zentimeter auseinander liegen. Diesen Prozess nennt man "Baumwolle kratzen". Zwei Wochen später erfolgt das nächste Hacken. Dieses Mal wird die Furche in Richtung der Baumwolle aufgeworfen. Nur der stärkste Halm bleibt auf dem Hügel stehen. Wiederum vierzehn Tage später erfolgt das dritte Hacken und wieder wird die Furche in Richtung Baumwolle aufgeworfen und erstickt damit das ganze Gras zwischen den Reihen. Um den ersten Juli herum wird das vierte und letzte Mal gehackt. Nun ist der gesamte Raum zwischen den Reihen gepflügt und in der Mitte jeweils eine tiefe Wasserfurche zu sehen. Während der gesamten Arbeiten folgt der Aufseher den Sklaven hoch zu Ross und mit einer Peitsche in der Hand. Der schnellste Hacker übernimmt die Führung. Er arbeitet normalerweise ungefähr fünf Meter vor seinen Gefährten. Wenn ein anderer schneller arbeitet und ihn überholt wird er gepeitscht. Tatsächlich fliegt die Peitsche den ganzen Tag, vom Morgen bis in die Nacht. Die Hacksaison dauert also von April bis in den Juli und kaum ist ein Feld beendet, fängt es auch schon wieder von vorne an.
In der zweiten Augusthälfte wird die
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