Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (German Edition)
»scharf«, also doch, natürlich, schon – auch! Aber nicht: nur.
Moment mal. Selbst wenn ich die Frau des zweiten Blicks bin – auch den muss man ja werfen wollen. Irgendwas muss
ja einladen, damit man überhaupt noch ein zweites Mal hingucken will – oder? Kann es sein, dass mein jahrelang zurechtgelegtes Konstrukt, warum ich keinen Sport machen muss, eine Farce ist? Dass ich schlichtweg und ganz einfach nur zu faul bin? Dass ich mich lieber von innen herausputze, schmücke, auf Hochglanz poliere und zum Strahlen bringe, weil es für mich eben der leichtere Weg ist? Weil Sport, Bewegung und Mäßigung für mich den größeren Stein darstellen, den ich zur Seite rollen muss?
Hm. Dafür, dass ich dachte, ich lass mein Inneres mal Urlaub machen, zerbreche ich mir grade ganz schön den Kopf.
The Boxer
Freitag, 12. Februar um 20:49 Uhr
Ich habe in meiner persönlichen Folterhölle einen Kurs entdeckt. Und obwohl mein Muskelkater lediglich am Abklingen ist und sich gerne und unvermittelt meldet (beim Schuheanziehen, Treppensteigen, Tasseanheben), erbringt mein nun sportlich interessiertes Hirn folgende Transferleistung: Boxen ist ein Männersport. Beim Männersport machen weniger Frauen mit. Wenn weniger Frauen mitmachen, ist die Konkurrenz geringer. Das ist mein Sport! Da muss ich hin!
Ich kenne drei bis vier Vertreter dieser Zunft, unter anderem auch eine Frau, und obwohl Regina Halmich keine Philosophin ist, hat sie doch einen ansehnlichen Körper. Also: Ich gehe Boxen.
Und ab in den Trainingsraum zum Anfängerkurs. Neben den üblichen mittelalterlichen Halbglatzeträgern, die wie ich in den Kurs reingucken wollen, treffe ich auf ein paar muskelbepackte Randgruppenvertreter. Landläufig als »Assis« bezeichnet, prollen sie auch gleich gekonnt durch den Raum und berichten sich gegenseitig von ihren letzten Schlägereien. Ob das so ’ne gute Idee war?
Ich bleibe die einzige Frau beim Training, und als das »Sparring« beginnt, schnappe ich mir den jungen Mann zu meiner Rechten, der bisher gar nichts gesagt hat und eher unauffällig wirkt. Nicht dass ich später mit heruntergelassenen Scheiben in einem BMW mit Technomucke beschallt durch die Stadt »cruisen« muss. Da halte ich mich doch lieber an den Inhaber einer Monatskarte für öffentliche Verkehrsmittel. So erscheint mir Felix wenigstens.
Wir wärmen uns zunächst mit einem fröhlichen Dauerlauf auf, der mir bereits den Rest gibt. Danach wird erst mal in die Luft geboxt: Es ist Sparring-Zeit! Also wild in die Luft schlagen, dabei die Arme anspannen, einen Punkt fixieren und immer auf die Deckung achten. Deckung? Ich kämpfe hier mit Luft. Und, mal ehrlich, weder ein Windhauch noch tobender Orkan gefährden meinen sicheren Stand. Was gilt es also zu decken?
Nachdem drei Runden dieses bescheuert aussehenden Luftkinos überstanden sind, stellen Felix und ich fest, dass wir zu wenige Aggressionen haben oder zu viele Methoden für einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten kennen, denn der Sandsack bzw. das Herumschlagen in der Luft bringen uns nicht weiter.
Es folgen zwei Runden mit dem Springseil, um die Kondition zu steigern und uns zu demütigen. Felix begreift, dass wir zu alt für das Springseil sind, und mir geht auf, dass ich einen Sport-BH brauche. Am Ende des Kurses haben Felix und ich viel gelacht und beschlossen, uns übermorgen auf dem Liegefahrrad zu verabreden, ein Gerät, das uns beiden gut gefällt. Besonders der Teil mit dem Liegen.
Kann denn Liegen Sünde sein?
Sonntag, 14. Februar um 19:46 Uhr
Felix und ich auf dem Fahrrad, der Knüller! Besonders gut: Unser Pulsschlag darf eine bestimmte Grenze nicht überschreiten, und am besten kann man dies feststellen, wenn man mit jemandem spricht und dabei nicht »nachatmet«. Also dieses keuchende, unerotische Geräusch kurz vor dem Kollaps. Felix und ich lachen allerdings so viel, dass wir nach Luft schnappen müssen und im ersten Gang, KEINE Steigung nehmend, äußerst langsam vor uns hin treten. Irgendwann nehmen wir die Sache allerdings ernst und strampeln konzentriert eine halbe Stunde nebeneinander her. Macht mehr Spaß, wenn man jemanden dabei hat, der sich auch abmühen muss.
Nach getaner Arbeit fragt Felix, ob ich noch etwas Zeit habe, und wir schlendern mit unseren ausgepowerten Körpern in Richtung Bar. Die Getränkekarte macht mich unsicher, mir wäre nach einem feinen Weißwein oder wenigstens nach einer Apfelsaftschorle. Stattdessen muss ich mich zwischen Leckereien wie
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