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Zwoelf Schritte

Zwoelf Schritte

Titel: Zwoelf Schritte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lilja Sigurdardóttir
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antworte ich und betrachte weiterhin die Glasperlen. Warum Frauen wohl das Wort «Fehler» gebrauchen, wenn sie ein Schäferstündchen mit mir beschreiben?
    «Ich meine, na ja, dass ich eben noch nicht bereit bin für eine neue Beziehung, und du kommst frisch aus dem Entzug und bist noch nicht einmal in der Lage, dich um eine Topfpflanze zu kümmern, und genügend Leute würde schon weniger als das aus der Bahn werfen», sagt sie.
    «Aber muss es denn unbedingt eine feste Beziehung sein?», frage ich, während ich aufstehe und meine Klamotten zusammensammele. «Können wir nicht einfach Freunde sein, die ab und zu ein bisschen Spaß miteinander haben?» Sie lächelt und schaut mich nachdenklich an und ist so unendlich schön, wie sie da liegt, in ihre Bettdecke eingewickelt, während die Glasperlen ihr Gesicht mit bunten Lichtflecken sprenkeln. «Aber vielleicht geht das nicht», füge ich hinzu und krieche an ihre Seite und küsse noch einmal die dicken Lippen. «Ich bräuchte nicht viele solcher Augenblicke, um mich ernsthaft in dich zu verlieben.»
    «Du bist hinreißend, Magni», und ihre Hand streichelt unwahrscheinlich sanft meine Wange.
    «Ich habe noch diesen affengeilen Kaffee bei dir gut», sage ich und küsse sie noch einmal.
     
    Mir ist sonderbar zumute, als ich den Laugavegur hochlaufe. Der Beginn unseres Zärtlichkeitsaustausches war so voller Verheißungen von Nähe und Wärme, aber danach ist eine betretene Distanz zwischen uns entstanden, die meine Einsamkeit noch schmerzhafter macht. Ich hätte sie zum Essen einladen sollen und ins Kino. Da hätten wir uns jetzt an den Händen halten können, und ihr Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, wäre vielleicht allmählich verflogen. Ich meinte wirklich, was ich sagte, dass ich sie schön finde und sympathisch und mich ihre Anziehungskraft leicht dazu bringen könnte, mich in sie zu verlieben. Ich komme an unzähligen Kneipen vorbei, und jedes Mal, wenn der Lärm zu mir auf die Straße dringt, ergreift mich ein geradezu unwiderstehlich starkes Verlangen nach etwas zu trinken. Danach, mich einfach an eine Bar zu setzen und literweise Bier zu zischen und ein paar starke Schnäpse gleich hinterher. Wen kümmert’s? Der Einzige, wegen dem ich versuche, nüchtern zu bleiben, bin ich, und im Moment wäre ich glücklicher, wenn ich trinken würde, anstatt auf dem Trockenen zu sitzen. Aber die dumpfe Stimme der Vernunft scheint etwas durch die Sehnsuchtsphantasien der Sucht zu murmeln, etwas von wegen, dass ich vielleicht in einer Phase des Nicht-wahrhaben-Wollens sei, und ich biege hinunter in die Hverfisgata ab und eile im Laufschritt zum Treffen der gläubigen Gruppe. Es muss gleich ein Meeting stattfinden, und wenn ich vorhabe, mich zu betrinken, kann ich das genauso gut auch noch in einer Stunde tun. Das Meeting hat soeben begonnen, und ich schlüpfe hinten im Saal auf einen Platz und versuche nach besten Kräften, mich auf die Worte zu konzentrieren. Eine zappelige Unruhe hat von meinem Körper Besitz ergriffen, und es fällt mir schwer, still zu sitzen. Deshalb laufe ich ein bisschen auf und ab, hole mir ein Glas Wasser und stehe wieder auf, um das Glas auf den Tisch zurückzustellen. Während ich stehe, lasse ich meinen Blick über den Saal schweifen, doch die Gesichter sagen mir nichts. Als würde ich den Mörder erkennen, wenn ich ihn sehe. Doch als ich diesen Gedanken beiseitelasse, packt mich das Entsetzen, denn dann könnte ja jeder hier der Mörder sein. Ich könnte auch neben ihm sitzen, es könnte der Mann sein, der gerade spricht, oder jener, den ich vorhin auf der Toilette getroffen habe. Das Gelassenheitsgebet am Ende des Meetings scheint mein Unwohlsein und meine Angst etwas zu lindern, und ich werde wohl einigermaßen beruhigt nach Hause gehen können.
    Auf dem Weg hinaus treffe ich Geir in der Tür und erinnere mich an mein Anliegen.
    «Ich habe auf den Anruf von dir gewartet, dass du mit der Arbeit am fünften Schritt fertig bist», sagt er und schaut mich streng, aber auch ein bisschen schelmisch an, wie ein altgedienter Gymnasiallehrer, der einen Teenager maßregelt.
    «Ich muss mit dir reden, Geir», sage ich, ziehe ihn beiseite und erkläre ihm, was mich von der Schritte-Arbeit abgelenkt hat. Ich habe halbwegs damit gerechnet, dass er mir Vorwürfe machen würde, von wegen, dass dies keine Entschuldigung sei, die Schritte zu vernachlässigen, aber ich bin angenehm überrascht, dass er Verständnis hat. Er habe sich Sorgen darüber

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