Zwölf um ein Bett
Haar zurück und fragte mit klarer Stimme: »Aber warum schließt du nur deine Schlafzimmertür ab, Tante Heather?«
»Iß deinen Pudding auf, Liebling«, sagte Mrs. North. »Hab ich schon. Ich red doch mit vollem Mund. Warum hat sie ihre Tür abgeschlossen?« Oliver sah, daß Heather, die Lady Sandys selber die Niederlage beibringen wollte, gegen die Versuchung ankämpfte, eine Bombe platzen zu lassen. Er fiel schnell ein und fühlte sich dabei wie der Mann, der noch gerade rechtzeitig die gute Nachricht nach Waverton brachte: »Ich werde dir sagen, warum. Sie hat das Hochzeitsgeschenk für Tante Violet darin, es ist aber ein Geheimnis.«
Violet wachte auf. »Hast du?« fragte sie. »Was ist es denn, Heather? Sag doch.«
»Kommt nicht in Frage.«
»Komm, sei anständig. Ich weiß es überhaupt schon.«
»Warum fragst du dann?« — »Dumme Kuh!«
»Kinder, Kinder«, sagte ihre Mutter. »Wie ist das mit meiner Vorschrift? Keinen Zank in Olivers Zimmer.«
»Sei doch nicht solch Schulmeister, Ma«, sagte Oliver unfreundlich. »Sie zanken sich doch gar nicht. Ach du mein Schreck...« Ihm fiel plötzlich ein, daß Heathers Hochzeitsgeschenk für Violet ein neues Fahrrad war, und er sah an Lady Sandys zusammengezogenen Augenbrauen, daß sie es wußte.
Evelyn, die das Geschenk auch kannte, sagte interessiert: »Nanu, was für ein komisches Versteck dafür. Da kann doch gar nicht Platz genug sein. Wie hast du’s denn untergebracht?«
»Ach, schweig doch endlich still, Evie«, sagte Heather. »Nein, aber wo nur?« beharrte Evelyn, die niemals aufgab. »Hängt am Haken«, sagte Heather grimmig.
»Ach herrje«, sagte Violet. »Hoffentlich sind es keine Kleider oder so was, Heather. Du hast mir doch versprochen, du willst mir etwas schenken, was ich gebrauchen kann.«
»Es ist ein Papagei im Käfig«, sagte Heather.
Violet nahm es ernst. »Na großartig!« schrie sie. »Gerade, was ich mir immer gewünscht habe. Wo, in aller Welt, hast du ihn her? Ich werde ihm alle Flüche beibringen, die ich kenne, und mir noch ein paar vom alten Halliday sagen lassen. Ist ja prima! Armer alter Fred, ich möchte bezweifeln, daß er Papageien mag.« Man konnte Heather nicht dazu bewegen, sie aufzuklären, und Violet schwärmte noch immer davon, als Elisabeth mit ernster Miene hereinkam. »Ich fürchte, Sie hatten recht, Mrs. North«, sagte sie. »Er hat 38,5 Fieber; der Puls entsprechend. Vielleicht nur eine leichte Grippe, aber ich habe ihm gesagt, er soll im Bett bleiben, und ich werde eine Wärmflasche und noch eine Decke mit hinaufnehmen. Er zittert, als ob er Schüttelfrost bekommen wollte.«
Das war das Ende vom Lunch. Alle standen auf und redeten durcheinander, bis auf Miß Smuts, die an einem hohlen Zahn zutschte und mit ihrer Litanei anhub, daß solche Sachen sich leicht zum Bösen wenden könnten. David hämmerte mit seinem Löffel auf dem Tisch herum und schrie nach mehr Pudding.
Violet stieß ihren Stuhl angewidert vom Tisch zurück und lehnte sich so weit hintenüber, daß sie im nächsten Moment das Gleichgewicht verlieren konnte. »Gut«, sagte sie, »wenn er an meinem Hochzeitstag noch nicht wieder in Ordnung ist, muß Ollie mitkommen. Es ist wie verhext. Eins kommt zum anderen — alles hat sich gegen mich verschworen.«
»Es wird alles wieder rechtzeitig in Ordnung sein«, brummte Miß Smuts, aber niemand hörte hin oder zollte ihr irgendwelche Beachtung. Alle wollten zu John hinaufgehen, und jeder wollte die andern hindern, es zu tun.
Johns Fieber stieg immer weiter an, und Oliver stand jetzt nicht mehr so im Mittelpunkt. Während der ganzen nächsten Tage bekam er kaum eine Seele zu Gesicht, außer Lady Sandys, die ständig zu ihm hereinkam und sich darüber beschwerte, daß sie nichts für John tun dürfe. Er hörte ein geschäftiges Hin und Her über seinem Kopf, und nach dem Abendessen schienen sie »Stille Post« mit den Möbeln in Johns Zimmer zu spielen. Es war später als sonst, als Mrs. North zum Gutenachtsagen hereinkam.
Er sagte ihr, daß sie müde aussähe, und sie erwiderte: »Bin ich auch ein wenig. Krankheit macht immer Extra-Arbeit.«
»Aber ich dachte, Elisabeth...«
»Sie ist natürlich unbezahlbar und schwimmt in ihrem Element. Ich finde, es ist ganz gut für sie, daß sie wieder etwas mehr zu pflegen hat. Schließlich ist es ihr Beruf; ich habe mir in letzter Zeit schon manchmal überlegt, ob sie sich nicht etwas fehl am Platze vorkommt, weil sie jetzt mehr
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