Zwölf um ein Bett
das nicht; früher oder später wäre es wahrscheinlich doch passiert. Niemand beschuldigt sie, aber sie hat sich in den Kopf gesetzt, daß wir alle es täten. Sie wird kaum mit jemandem darüber sprechen, weil sie viel zu empfindlich ist. Sie hat mir kaum gute Nacht gesagt, und ich hörte, wie sie zu diesem Black sagte: >Gott sei Dank, bloß ‘raus aus diesem Haus; sie sehen mich alle an, als ob ich ein Verbrecher wäre<.«
»Arme alte Heather«, sagte Oliver. »Sie hat es doch zu gern, sich als schwarzes Schaf zu fühlen.«
John lehnte sich vor und klopfte seine Pfeife auf dem leeren Rost aus, eine Angewohnheit, die Heather jedesmal ärgerte.
»Wer soll das nun wieder sauber machen?« fragte sie dann. »Oder meinst du, es kann da liegenbleiben, bis zum nächsten Herbst wieder Feuer gemacht wird?« Eine Weile saß John da, die Hände zwischen den Knien und an seiner Pfeife drehend; dann plötzlich sah er Oliver von der Seite mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Was kann ich denn machen?« fragte er hilflos. »Wie kann ich an sie herankommen? Sie läßt mich ja noch nicht einmal erklären, daß ich ihr keine Vorwürfe mache, sondern nimmt es einfach als gegeben an und zieht sich deshalb jedesmal in sich zurück. Weiß Gott, wir hatten uns vorher schon weit genug voneinander entfernt; das wird jetzt das Ende sein.« Er nahm seine Pfeife wieder zwischen die Zähne und lehnte sich zurück, umfaßte ein Knie und sog düster an seiner leeren Pfeife. »Weißt du, was sie mir einmal gesagt hat?« sagte Oliver. »Sie sagte, sie hätte neben dir immer das Gefühl, nichts wert zu sein, weil du eine viel edlere Natur wärest als sie.«
»So ein Unsinn«, sagte John. »Was für eine verdammte Dummheit, so etwas zu sagen. Sie ist viel mehr wert als ich. Besonders, soweit es sich um die Frömmigkeit handelt — sieh doch, wie sie immer zur Kirche läuft. Ich gehe nie öfter als einmal in der Woche.«
»Vielleicht läuft sie nur deshalb und hat es nur deshalb so mit diesem Katholikentum, weil du ihr Minderwertigkeitsgefühle verursachst. Nun möchte sie herausfinden, was mit ihr los ist.«
»Es scheint sie jedenfalls nicht sehr glücklich gemacht zu haben.« Die traurigen Ereignisse des Abends schienen Johns loyale Ablehnung einer Diskussion über seine Frau fortgeschwemmt zu haben. Da er nun einmal angefangen hatte, wälzte er seine Bürde von sich ab. »Weißt du was, Oller, mir wäre lieber, sie hätte es nicht getan; es war ein großer Fehler von ihr, glaube ich. Man sollte an dem festhalten, wozu man erzogen worden ist. Sie fühlt sich nun noch unbehaglicher als früher bei diesem Herumtappen zwischen all den Mysterien. Ich glaube, nur deshalb umgeben sie sich mit all diesem Weihrauch und den phantastischen Gewändern und omnia saecula saeculorum, weil sie im Grunde gar nicht wissen, worüber sie da singen und murmeln. Ich wünschte, Heather hätte auf mich gehört. Wenn ich nur zu Hause gewesen wäre...«
»Mm«, Oliver fühlte sich schläfrig. Er ließ John sich weiter über das Thema verbreiten und warf nur ab und zu einige Bemerkungen ein. Nebelhaft, und während er zur Hälfte dem Radio lauschte, hörte er John drei- oder viermal etwas sagen, ehe sein Gehirn erfaßte, daß es einiger Aufmerksamkeit wert war. »Und sie denkt, ich kritisiere sie«, sagte John wiederholt. »Ausgerechnet ich. Wenn sie nur wüßte, mein Gott, wenn sie wüßte!«
»Wenn sie nur was wüßte?« fragte Oliver, wobei er seine Augen aufmachte.
»Ach, nichts. Ich möchte dich nicht damit langweilen. Es kommt« — John lachte ein unfrohes Lachen —, »es kommt mir nur so phantastisch vor, wenn du mir erzählst, ich wäre zu gut für sie, während ich die ganze Zeit...«
»‘raus damit«, sagte Oliver, denn John wollte offensichtlich zu einer Beichte genötigt werden. »Was hast du gemacht? Eine Bank ausgeraubt?«
»Wünschte, es wäre so etwas Simples. Das könnte ich ihr sagen, aber dies — ich könnte es ihr niemals verständlich machen. Sie wäre furchtbar verletzt.«
Oliver stellte das Radio ab. »Wenn du es mir erzählen willst«, sagte er, »dann leg los. Wenn nicht, sei still.«
»Ich habe es noch keiner Menschenseele erzählt«, sagte John. »Ich könnte es niemals Heather erzählen, und doch komme ich mir vor wie ein Schweinehund, daß ich es vor ihr verheimliche. Es nagt an mir, seit ich zurückgekommen bin.« Oliver konnte sein Gesicht nicht sehen. Seine Stimme kam körperlos aus dem Armsessel und aus der Dunkelheit des
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