Zwölf um ein Bett
Kamin mit dem Geschirr herum.
Das Radio brachte jetzt eine verschnörkelte Version der »Blauen Donau«. Oliver sagte: »Ach, Vi, heirate ihn. Es wäre nicht nett, wenn du es nicht tätest. Er ist ganz verrückt nach dir.«
Sie drehte sich um, rot vom Bücken, vor Überraschung und vom Schnupfen. »Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe«, sagte sie, ohne zu lachen.
»Nein, ich meine das ganz im Ernst. Er hat es mir beinahe verraten, natürlich, wie immer, nur in Andeutungen«, log er. Violet kam langsam zu ihm hinüber, die tröpfelnde Kanne baumelte an ihrer Hand. »Hätte ich nur meine Brille auf, dann könnte ich sehen, ob du lügst.«
»Bei meiner Seele«, sagte Oliver und verschränkte seine Finger unter der Bettdecke.
Violet blickte über ihn hinweg aus dem Fenster, und ihr derbes Gesicht wirkte in der Abenddämmerung sanft und verschwommen.
»Weißt du, was das Landwirtschaftsamt von Fred will?« sagte sie. »Er soll das Hügelland umpflügen und Getreide anbauen. Hast du jemals etwas so Verrücktes gehört — selbst mit Traktoren?« Sie horchte. »Da schreit wieder das Bullenkalb. Seit Mittwoch brüllt es so. Jetzt fällt mir ein, daß ich es auch gehört habe, als ich in der Hütte war, obgleich ich nicht viel Notiz davon genommen habe; dafür war ich zu sehr durcheinander. Es müßte eigentlich doch irgendwie nett sein«, fuhr sie nachdenklich fort, »wenn ich mein eigenes Haus hätte, in dem ich tun könnte, was ich wollte. Ich könnte Poppy und Dalesman mit hineinnehmen, und wir brauchten nicht immer Besuch zu haben. Meinst du, daß jeder lachen würde, wenn ich Fred heirate?«
»Hallo, da bin ich!« Mary Brewer stürzte ins Zimmer, in der Hand den kleinen, vulkanfibernen Koffer. »Sanftes Licht und süße Musik, was? O Donau so blau...« Sie walzte durch das Zimmer und landete kichernd an Olivers Bett, ohne ihn richtig anzusehen. Violet nahm die letzten Reste der Tee-Mahlzeit vom Kamin fort und ging hinaus.
Oliver brannte vor Verlangen, jemandem die Geschichte zu erzählen. Er wollte sie sogar Mary Brewer berichten; sie hätte es bestimmt wunderbar romantisch gefunden, aber sie kannte Fred überhaupt nicht. Statt dessen erzählte er ihr von dem Wundspiritus, und sie bekam eine schnippische Stimme und ging beleidigt in die Nische des Zimmers an den Wandschrank in der Holztäfelung. »Ich habe oft genug gesagt, daß ich ihn hierhin stelle«, sagte sie und knallte ihn mit Nachdruck auf den Tisch. »Ich lasse ihn hier stehen, damit sie ihn bestimmt sieht, wenn sie kommt.« Mary und Elisabeth, die sich nie gesehen hatten, sprachen voneinander nur per »sie«.
Mrs. North und Heather waren spät zurückgekommen, und Oliver hörte David und Susan schon in der Halle schreien. Anscheinend hatten auf der Party irgendwelche Meinungsverschiedenheiten über Geschenke stattgefunden. Die Gastgeberin hatte sie durcheinandergebracht und Davids Geschenk einem anderen Kind gegeben, das es nicht wiedergeben wollte, und David hatte eine Szene gemacht. Heather wollte ihn nicht zu Oliver lassen, sondern nahm den Heulenden gleich mit hinauf. Keiner kam an diesem Abend zum Cocktail. Heather war zu beschäftigt, Evelyn war mit einer Stallaterne losgegangen, um nachzusehen, wie weit man ohne sie mit dem Kalken gekommen war, und Violet war verschwunden.
»Sie ist ausgegangen«, berichtete Olivers Mutter. »Sieht ihr das nicht wieder einmal ähnlich? Nachdem sie den ganzen Tag im Hause herumgelungert hat und jedem zur Last gefallen ist, geht sie aus, sobald es draußen kalt und dunstig wird. So krank kann sie demnach gar nicht sein.«
»Sie ist schon wieder in Ordnung.« Oliver hätte seiner Mutter zu gern alles erzählt. Er wunderte sich, wo Violet stecken mochte. Ob sie wohl schon zu Fred gegangen war? Der Gedanke, daß er dazu beigetragen haben könnte, gab ihm ein Gefühl der Befriedigung.
»Wenn sie nach draußen gehen kann, hätte sie mir auch Koks holen können«, sagte Mrs. North; sie sah müde aus und hatte einen Rußfleck an einer Seite ihrer kleinen, breiten Nase. »Ich hatte ihr gesagt, sie soll etwas auf legen, aber sie hat die Heizung natürlich beinahe ausgehen lassen. Es war eine furchtbare Arbeit, sie wieder in Gang zu bringen.«
»Ich wünschte, du würdest es doch einmal versuchen und ein Mädchen nehmen«, sagte Oliver. »Ich hasse es, daß du diese Schmutzarbeit machst. Und ich kann nichts tun als hier liegen wie ein Parasit.«
»Still, Liebling«, sagte seine Mutter. »Du
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