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Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt

Titel: Zwoelf Verstossene auf Wallfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Seinsche
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verlosch. Das hatte genügt für die Jungen, zu sehen, wer da am Werke war. Es war der Irrsinnige aus der Mühle. Da sprangen die beiden Jungen hoch. Ludwig stieß einen lauten Schrei aus, Karo bellte wie besessen, und Mäxchen, dem es gelungen war, trotz der Dunkelheit ein paar handfeste Steine in die Fäuste zu bekommen, schleuderte die Brocken mit Gewalt auf den Verrückten zu. Ob er ihn getroffen, konnte er nicht sagen. Dann hörten die beiden den Irren wieder mit wilden Sprüngen den Berg hinabsetzen.
    »Mäxchen, Mensch, ein Glück, daß wir wach waren !« sagte Ludwig, nachdem er Karo mit viel Mühe beruhigt hatte. »Die anderen haben jetzt noch nicht mal was gemerkt !«
    »Doch, doch«, klang da Willems Stimme aus dem Heustadel, vor dem sie saßen, »was war denn eigentlich los ?«
    »O, nichts Besonderes«, meinte Ludwig. »Aber es wäre ganz gut, wenn du auch mitwachen würdest. Das ist diesmal ‘ne richtige Saunacht !«

Verregnete Wallfahrt

    Als der Morgen des 6. Oktober graute, regnete es Bindfäden. Der Sturm, der die ganze Nacht getobt hatte, war abgeflaut. Dafür spannte sich jetzt eine eintönig graue Wolkendecke dicht über die Bergkuppen des großen Waldes und sandte ihr andauerndes Geriesel auf die herbstkühle Erde. Als die »Verstoßenen« beim Erwachen das Rauschen der niederströmenden Wasserflut vernahmen, wären sie am liebsten gleich in ihren warmen Heuhaufen liegengeblieben. Aber das ging ja nun nicht. Kaum hatten nun die ersten ihre Nasen endgültig in den trüben Morgen gesteckt, da stellten sie mit Erstaunen fest, daß dreie von ihnen schon fix und fertig bekleidet dastanden, mit Schuhen und Strümpfen. Die drei waren bereits so gründlich naß geregnet, daß auch der Dümmste leicht erraten konnte, sie mußten schon lange draußen sein. »Vielleicht sogar die ganze Nacht !« dachte der kleine Theo.
    Es war aber nicht zu erfahren, weshalb die drei so wenig geschlafen hatten. Vielmehr gingen sie auf gar keine Fragen ein, sondern drängten mit einem ganz befremdlichen Eifer zum Aufbruch. Es wurde ein ganz kurzes Morgengebet gesprochen, schnell für jeden ein Butterbrot, und dann hub die Wallfahrt gleich wieder an. Die »Verstoßenen« hatten gehofft, man werde an diesem Morgen wieder zur Mühle heruntergehen, um dort in der niederen Stube der Müllerin einen warmen Kaffee zu trinken. Aber Willem ließ sich auf nichts ein. Er wollte nicht die Müllerin damit betrüben, daß er die Ereignisse der vergangenen Nacht erzählte, nein, er wollte nun ohne Verzug ins nächste Dorf und wieder auf den Wallfahrtsweg nach Heiligkreuz. Mochten auch die »Verstoßenen« murren und knurren. Freilich, der dicke Emil hielt einmal wieder seine Zeit für gekommen. Er warf sich zum Sprecher für alle auf und stänkerte einmal wieder so herzerfrischend los, daß man gar nicht glauben konnte, der gleiche dicke Emil sei tags vorher noch so kleinlaut gewesen. Wie er so losmeckerte, erhielt er von Mäxchen Voß und Ludwig eine so deftige Abfuhr, daß ihm tatsächlich vor Überraschung jedes weitere Wort im Halse steckenblieb. Ludwig und Mäxchen waren offensichtlich von Willem »eingeseift« worden, und das so gründlich, daß zur Zeit gegen die drei nichts zu machen war. Also wurde der Leiterwagen schweigend wieder den Berg hinabgelotst. Kaum war man unten im Tale auf dem Wege, da ging es ohne weiteres links ab, wie die Müllerin gesagt hatte. Die Mühle lag rechts.
    Sofort nahm Ludwig seinen Rosenkranz zur Hand und begann mit Beten. »Komisch, komisch !« dachten die »Verstoßenen«. Willem, der heute morgen so schweigsam war, hatte aber nicht das Nachdenken vergessen. Während Ludwig und Mäxchen zum Aufbruch drängten, hatte er sich einmal ganz genau die Gesichter seiner Kameraden angesehen. Und das wußte er nun: Es war nicht nur der trübe Morgen, der die Gesichter der »Verstoßenen« so grau erscheinen ließ, o nein, deutlich hatte er gesehen, sie hatten alle dunkle Ränder um die Augen. Sie waren alle bleich geworden, und die Augen seiner Kameraden hatten viel von ihrem hellen Glanz verloren. Es mußte anders werden. Darüber war er sich klar. Und es wurde anders.
    Drei Stunden trabten die »Verstoßenen« an diesem Morgen durch den Regen. Es tropfte mächtig von allen Bäumen des großen Waldes. Der Weg war schlammig, das Wallfahren machte keine Freude. Trotzdem wurde eisern weitergebetet, ja, sogar gesungen. Und wenn Ludwig mit Vorbeten müde war, trat Mäxchen an seine Stelle. Man war noch nicht bis

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