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Zwölf Wasser

Zwölf Wasser

Titel: Zwölf Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. L. Greiff
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wann sie hier wieder herauskämen, denn sie habe die Zeit vergessen? Felt sah zu der Unda, die ebenfalls schwieg   – wie lange, seit Tagen?   – und in dem Tunnel in engen Schleifen auf und ab ging, während Babu im Schlaf zuckte.
    Reva trug ihr weißes Licht, Felt blickte hinein. Hatte es sich verändert? Aber ja, es … pulsierte. Er richtete sich gerade auf, war plötzlich gar nicht mehr müde, sondern versuchte, mit den Augen der Unda zu folgen und das Licht in ihren Händen genau zu betrachten. Ja, tatsächlich, die Helligkeit der Flamme nahm zu und ab, seit wann tat sie das? Felt schloss die Lider, rieb sie. Er wusste es nicht, konnte sich nicht erinnern. An die kleine Flamme hatte er sich gewöhnt; die Faszination, die er anfangs für sie empfunden hatte, war verloren gegangen. Sie war das Geschenk Aslis an die Hohen Frauen? Sie war gar ein Überbleibsel von Asli selbst, die sich entzündet hatte, um die letzten Welsen zu retten? Nun, es war vor allem ein willkommenes Licht in dunklen Gegenden wie diesen. Felt öffnete die Augen wieder, sie brannten. Er ärgerte sich, weil seine Wachsamkeit, auf die er doch sonst immer zählen konnte, so unzuverlässig geworden war. Seit wann die kleine Flamme, das Licht Aslis, in den Händen der Unda pulsierte, konnte er nicht bestimmen. Aber die Wirkung war befremdlich und anrührend zugleich: Es war, als ob die Flamme atmete. Reva trug kein kaltes Licht mehr mit sich, sondern hielt ein kleines, lebendiges Wesen in ihren Händen.
    Noch während Felt über dieses lebende, atmende Feuer nachsann, war Babus Schlaf immer unruhiger geworden. Es musste ein furchtbarer Traum gewesen sein, denn Babu erwachte schreiend. Als er wieder bei Sinnen war, nachdem sie ein wenig Kraut gegessen und etwas getrunken hatten, gingen sie wieder los. Felt wusste nicht, ob Tag oder Nacht war, noch welchen Manor sie hatten. Er war ohne Orientierung in Zeit und Raum. Aber er hatte bemerkt, dass das Licht lebendig geworden war, und beschloss, diesen weiteren Abschnitt ihres Marsches heute zu nennen.
    Es war immer noch heute , als sie aus der endlosen Dunkelheit der Höhle hinaus ins Freie einer weiten Schlucht traten, und es war Tag. Felt schloss geblendet die Augen, fühlte das Sonnenlicht wie einen sanften Druck auf den Lidern und holte tief Luft. Er schien das Licht einatmen zu können, denn seine düstere Stimmung hellte sich beinahe augenblicklich auf. Auf Babus Gesicht schimmerte schwach ein Lächeln, aber er sagte nichts. Sie gingen eine Weile am mit niedrigem Schilf gesäumten Ufer eines Flusses entlang, der sich bedächtig die Talsohle entlangwand. Der Himmel über ihnen wurde langsam dunkler. Er war mit wenigen fedrigen Wölkchen gesprenkelt, die nun im Abendlicht wie rote Lampen leuchteten. Es war Felt, der immer wieder nach oben sah   – Babu hielt den Kopf gesenkt, verbarg die grüblerische Miene hinter dem Vorhang seiner langen Haare. Dabei erlaubte die Landschaft endlich wieder einen etwas offeneren Blick. Die Ubid Engat schienen hier weitläufiger und weniger schroff zu sein. Felt hörte Insekten summen, sog immer wieder tief die Luft ein. Sie war im Vergleich zur Höhlenluft frisch und warm, dennoch roch Felt es: Schnee, bald.
    Ein hoher, lang gezogener Ruf hallte durch das Tal, dann sah auch Felt den Falken über ihnen. Aber Babus Gesicht hellte sich nicht auf. Statt sich zu freuen, brach der junge Mann zusammen. Er war kalkweiß geworden, schlug sich mit beiden Fäusten gegen die Schläfen.
    »Babu! Was ist denn? Was hast du?«
    »Warnung«, presste er hervor. »Gefahr, weg!«
    Babu sackte zu Boden, Fäuste an den Schläfen, den Mund aufgerissen, aber nicht in der Lage, auch nur ein weiteres Wort zu sprechen. Reva erstarrte. Felt hörte einen Trupp Reiter durchs Wasser preschen und wusste zugleich, dass es keine Reiter waren, keine sein konnten. Er wusste, was es war, und dennoch entfuhr ihm ein überraschter Schrei, als er den Krebs sah,der mit hocherhobenen Scheren auf sie zugelaufen kam. Dieses Ungetüm war nicht so groß wie ein Pferd. Sondern eher so groß wie ein Haus.
18
    Kein Rückzug, kein Vermeiden und erst recht kein Versuch, das Biest zu vertreiben. Kämpfen oder sterben. Nein   – das lief auf kämpfen und sterben hinaus. Keine Zeit zu denken.
    Felt rannte los, rannte dem Krebs entgegen, das Schwert in der Faust. Er hatte keine Strategie, nicht einmal einen ungefähren Plan, wie er den Riesenkrebs erlegen sollte. Er rannte, weil er die Aufmerksamkeit auf sich

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