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Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären

Titel: Zyklus der Erdenkinder 01 - Ayla und der Clan des Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean M. Auel
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lahmte. Die Männer waren mit der Furcht vertraut. Viele Male in ihrem Leben begegneten sie ihr, am eindrucksvollsten bei der ersten großen Jagd, die sie zu Männern machte. Kleine Tiere jagte man, um sich an die Waffen zu gewöhnen; doch zum Mann wurde erst, wer die Furcht kennen gelernt und überwunden hatte.
    Für die Frauen waren die blutenden Tage eine nicht geringere Probe ihres Mutes. In gewisser Weise bedurfte es eines noch stärkeren Herzens, diese Tage und Nächte allein durchzustehen, in dem Wissen, dass keiner ihnen helfen würde, was auch geschah. Vom Augenblick seiner Geburt an war ein Mädchen ständig von anderen Erdlingen umgeben, die es beschützten. Doch wenn es zum ersten Mal seine Tage hatte, wo es vom Mädchen zur Frau sich voll entwickelte, war kein Mann in seiner Nähe, es zu beschützen; nicht einmal eine Waffe war ihr beigegeben, sich gegen die reißenden Tiere zur Wehr zu setzen. Mädchen wie Jungen wurden erst dann Frauen und Männer, wenn sie der Furcht ins Auge geblickt und sie bezwungen hatten, wenn sie der Angst entwachsen und somit dem ClanLeben gewachsen waren.
    Ayla hielt das Erlebnis immer noch in Bann; während der ersten Tage verspürte sie kein Verlangen, sich auch nur etwas weiter von der Höhle zu entfernen. Nach einer Weile jedoch regte sich wieder prickelnde Rastlosigkeit in ihren Gliedern. Im Winter hatte sie nichts dagegensetzen können; da nahm sie die Beschränktheit in der Höhle hin wie alle anderen. Aber Körper und Geist waren gewöhnt, frei herumzustreifen, wenn Schnee und Kältnis gewichen waren. Der Widerstreit ihrer Gefühle quälte sie nun. War sie allein im Wald, abgeschieden von der Schutz bietenden Höhle, so nagte beständige Angst an ihr; war sie aber bei den anderen, so war ihr arg danach, für sich zu sein und das befreiende Atmen im Wald genießen zu können.
    Einmal, als sie sich alleine aufgemacht hatte, um Kräuter zu sammeln, geriet sie unversehens in die Nähe ihrer Zuflucht. Sie stutzte und kletterte das letzte Stück zur lichten Bergwiese schneller hinauf. Ihr Herz beruhigte sich. Es tut gut, hier zu sein. Dies waren ihre Höhle, ihre Wiese. Sogar die Rehe, die hier häufig ästen, begriff sie als ihr Getier. Sie waren so zutraulich geworden, dass sie das Mädchen ganz nahe herankommen ließen, ehe sie davonsprangen. Und hier überkam Ayla ein Gefühl von Zuversicht und Stärke, das sich im Wald, wo überall wilde Tiere lauern konnten, nicht mehr einstellen wollte. Die ganze Zeit der hitzigen Tage war sie nicht mehr hier oben gewesen, und als sie jetzt im hohen Gras lag, die Arme im Nacken verschränkt, und in den Himmel starrte, stürzten die Erinnerungen auf sie ein. Hier hatte sie angefangen, mit der Schleuder zu üben; hier hatte sie auf ihr erstes Tier geschossen; und hier hatte sie das Zeichen ihres Totems gefunden.
    Ihre Schleuder hatte Ayla bei sich, denn sie wagte nicht, sie in der Höhle zu lassen, wo Iza sie bestimmt finden würde. Nach einer Weile stand sie auf, suchte sich einige Steine zusammen und machte ein paar Würfe. Wieder wanderten ihre Gedanken zurück zu dem abscheulichen Luchs.
    Hätte ich doch nur noch einen Stein in der Schleuder gehabt, dachte sie, dann hätte ich noch einmal schießen können und ihn vielleicht getroffen, ehe er auf mich springen konnte.
    Zwei gerade, tiefe Furchen waren wieder zwischen ihren Brauen oberhalb der Nasenwurzel eingekerbt, als sie die zwei Steine in ihrer Hand betrachtete. Konnte man nicht einen Stein gleich nach dem anderen schleudern? Hatte Zoug dem jungen Vorn je so etwas gezeigt? Sie krauste die Stirn. Wenn ja, dann war ich nicht dabei, dachte sie. Hin und her wälzte sie nun den Gedanken in ihrem Kopf und machte sich Bilder, wie es gehen könnte. Sie sah sich mit der Schleuder in der Hand, wie sie nach dem ersten Wurf - noch während ihr Arm sich in der Abwärtsbewegung befand - blitzschnell einen zweiten Stein in die Kuhle drückte, den Arm, ohne innezuhalten, wieder hochschwang und einen zweiten Stein abschleuderte. Ob das wohl zu machen war? Sie versuchte es; und langsam, sehr langsam und nach zahllosen Versuchen fand sie eine ihr genehme Abfolge der Bewegung heraus: ersten Stein abschleudern; Schleuder im Abwärtsschwung leicht abfangen, zweiten Stein schon bereit; Stein in die Kuhle drücken, während die Schleuder noch im Schwung war; zweiten Stein abschießen. Häufig fielen ihr die Steine heraus, und selbst als es ihr gelang, sie abzuschießen, litt doch die Treffsicherheit

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